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KommentarGrün getünchte Energiepolitik

Kommentar von Stephan Kosch

Mit seinem Vorstoß zum Abschalten von AKW will Christian Wulff vor allem eines: taktieren. Als Hoffnungsträger einer schwarz-grünen Koalition taugt er nicht.

D ie Atomfront in der Union scheint zu bröckeln. An diesem Wochenende haben sich führende Landespolitiker der CDU öffentlich dafür ausgesprochen, dass ältere Atomkraftwerke schneller vom Netz gehen sollen, wenn ihre Sicherheit nicht mehr gewährleistet ist. In der Tat klingt der Vorstoß von Christian Wulff bemerkenswert. "Es kann zu früheren Abschaltungen kommen", sagte der niedersächsische Ministerpräsident. Das sind neue Töne in einer Partei, die bislang keinen Hehl daraus machte, dass sie nach der nächsten Bundestagswahl alles tun will, um den rot-grünen Atomkonsens wieder rückgängig zu machen.

Bild: taz

Stephan Kosch ist stellvertretender Ressortleiter Wirtschaft und Umwelt bei der taz.

Allein: Christian Wulff ist trotz der Pannenserie in den Atomkraftwerken Brunsbüttel und Krümmel nicht über Nacht zum Atomkraftgegner mutiert. Dass ein unsicherer Reaktor nicht weiter betrieben werden darf, ist eine Selbstverständlichkeit. Was bezweckt Wulff also mit seinem Vorstoß?

Erstens: Der festgezurrte Ausstiegsplan wird infrage gestellt, jeder Reaktor bekommt eine neue Chance. Übersteht er den Sicherheitscheck, kann auch ein 30 Jahre alter Atommeiler weiterlaufen, dessen Investitionskosten schon lange abgeschrieben sind - und den Betreibern wieder Millioneneinnahmen sichern.

Zweitens: Wulff gibt sich pragmatisch-konservativ und kommt der schwarz-grünen Wählerklientel zumindest verbal entgegen. Tatsächlich versucht er aber mit seinem Angebot, die Atomkraft wieder salonfähig zu machen und ihr das Überleben zu sichern. Und das wäre ein Rückschritt in der Energiepolitik, der die Entwicklung der erneuerbaren Energien behindern würde. Wulff taugt also nicht zum Hoffnungsträger einer schwarz-grünen Option.

Wer das will, muss auf den Berliner Oppositionschef Friedbert Pflüger setzen, der sich klar für den Atomkonsens ausspricht. Doch sein Einfluss auf die Bundespolitik ist derzeit vernachlässigbar. Sein Spielfeld ist Berlin, wo ihn nur eine Koalition mit den Grünen an die Regierung bringen kann. Bei der beginnenden Debatte um Atomkraftwerke in der Union geht es also weder um zukunftsfähige Energiepolitik noch um die Sicherheit der Bevölkerung. Es geht allein um die Macht.

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