Kommentar: Von kühlen Rechnern und Pyromanen
Mit einem Gesetz für abgebrannte Flächen schaffte Italien es, die Zahl seiner Waldbrände zu halbieren - weil es sich nicht mehr lohnt.
E ine Glasscherbe, auf die von oben gleißendes Sonnenlicht fällt, darunter staubtrockenes Reisig - und schon brennt der Wald. Diese Geschichte von der schicksalhaften "Selbstentzündung" per Brennglaseffekt hörte man noch vor wenigen Jahren in Italien regelmäßig, wenn im Juli oder August wieder einmal quer durchs Land die Wälder brannten. Heute glaubt kein Mensch mehr an diese Mär.
Nur noch zwei Ursachen kennen die Statistiken: die fahrlässige und die vorsätzliche Brandstiftung. Bei den Vorsatztätern wiederum unterscheiden sie zwischen zwei Typen: den Pyromanen und den kühlen Kalkulatoren. Gewiss: der Wald, die Macchia mediterranea brennen gleichermaßen - egal wer von beiden gerade am Werke ist. Und doch ist der Unterschied alles andere als akademisch.
Flammenfetischisten nämlich lassen sich in ihrem lustvollen Treiben kaum anders stoppen als durch Festnahme. Anders sieht es bei denen aus, die aus nüchternem Kalkül zum Streichholz greifen, etwa um neues Weide- oder Bauland zu erschließen. Seit dem Jahr 2000 legt in Italien ein Gesetz fest, dass abgebrannte Flächen auf 15 Jahre von jeder Nutzungsänderung ausgeschlossen sind. Den Kommunen obliegt es, ein "Waldbrandkataster" zu erstellen, das diese Flächen ausweist.
Im norditalienischen Ligurien oder in der Toskana hat das Gesetz Wunder gewirkt: Die Zahl der Brände halbierte sich, die abgefackelte Fläche ging gar um bis zu 90 Prozent zurück. Völlig anders war die Entwicklung in Süditalien, wo es auch dieses Jahr wieder brennt wie früher schon gehabt. Dort verzichteten die meisten Kommunen schlicht auf das vom Gesetz vorgesehene Brandkataster.
Solange Untätigkeit das Bild prägt, ist es müßig, über die Mafia als Auftraggeber zu spekulieren. Auch mafiöse Interessen wären wirkungsvoll durchkreuzt, wenn der Staat mit seinen eigenen Gesetzen Ernst machen würde. Denn dies lehrt das italienische Gesetz, dort, wo es konsequent angewandt wird: Der Staat hat erstaunlich einfache Mittel, um das Geschäft mit dem Feuer zu unterbinden. Dann kann er sich auf die Verfolgung der paar Pyromanen konzentrieren.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!