Kommentar: Fixiert auf die PKK
Enttäuschung in der Türkei über die Ergebnisse des Besuch des irakischen Premiers al-Maliki. Doch wie sollte Maliki auch einen Rauswurf der PKK versprechen?
I n der türkischen Öffentlichkeit zeigt man sich enttäuscht von den mageren Ergebnissen, die der Besuch des irakischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki in der Türkei, dem nördlichen Nachbarland, gebracht habe: kein Antiterrorabkommen, sondern nur eine vage Absichtserklärung. Über ein Abkommen, so heißt es, solle weiterverhandelt werden. Verwundern kann dass Ergebnis allerdings nicht. Denn wie sollte Maliki auch einen Rauswurf der PKK versprechen? Im autonomen Nordirak hat er schließlich nichts zu sagen, dort bestimmen die Kurdenführer Massud Barsani und Dschalal Talabani. Die müssten der Sache erst zustimmen.
Jürgen Gottschlich ist taz Korrespondent in Istanbul. Er war Mitbegründer dieser Zeitung, später war er Inlandsredakteur und in den 90er Jahren Chefredakteur.
Tatsächlich lenkt die türkische Fixierung auf den Nordirak vom eigentlichen Problem nur ab. Zwar kann keine Regierung hinnehmen, dass eine bewaffnete Organisation - aus welchen Gründen auch immer - permanent Anschläge auf die Armee, die Polizei und andere staatliche Einrichtungen durchführt und dabei jede Woche aufs Neue Menschen tötet. Doch im Grunde sind sich alle Experten darin einig, dass selbst ein Einmarsch türkischer Truppen im Nordirak das Problem mit der PKK nicht lösen würde. Ganz abgesehen davon, dass er verheerende außen- und innenpolitische Konsequenzen nach sich ziehen würde.
Guerillaformationen dieser Art, dass müssen nun nicht erst die Türken erfahren, sind durch großflächige Militäreinsätze nicht zu besiegen - jedenfalls so lange nicht, wie sie einen Rückhalt in der Bevölkerung haben. Genau darum geht es: Nur mit einer Politik, die auf die Kurden im Land zugeht und so letztlich die PKK isoliert, kann dem ständigen Morden ein Ende bereitet werden.
Die Chancen dafür stehen gar nicht so schlecht: Erstmals in der Geschichte der Türkischen Republik sitzt im gerade gewählten Parlament auch eine kurdische Fraktion, die für eine friedliche politische Lösung des jahrzehntealten Konflikts kämpft. Wenn nun im Parlament ernsthaft mit den Kurden und nicht mehr nur über sie geredet wird, dann wird sich das Klima zwischen Kurden und Türken spürbar bessern. Die Regierung und die anderen Parteien müssen zeigen, dass sie bereit sind, Lösungen für die Probleme der größten Minderheit des Landes zu suchen; erst dann wird sich die PKK wirklich wirksam bekämpfen lassen.
Wenn die kurdische Bevölkerung mehrheitlich klarmacht, dass die PKK nicht mehr in ihrem Sinne handelt und spricht, dann wird die PKK ihre Bedeutung verlieren. Die Lösung des Problems liegt deshalb nicht im Nordirak. Sondern in Ankara.
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