Kommentar: Guantánamo light

Die wichtisten Gefangenen der USA sollen Zugang zu Rechtsanwälten bekommen. Kleine Schritte zu rechtsstaatlicher Normalität. Sie reichen nicht.

Nun sollen die 14 wichtigsten Gefangenen der USA, die im Lager Guantánamo einsitzen, Zugang zu Rechtsanwälten bekommen. Wenn stimmt, was die Washington Post am Freitag berichtete, dann unternehmen die USA kleine Schritte auf dem Weg zu rechtsstaatlicher Normalität. Immerhin.

Wirklich zufrieden sein kann damit aber niemand. Die US-amerikanische Anwaltskammer weigert sich, auf Formblättern zur Suche von Pflichtverteidigern namentlich benannt zu werden - man wolle einem derartig ungenügenden Verfahren nicht noch Legitimität verleihen, sagt der Kammerpräsident. Zu Recht, denn weiterhin bleiben die Guantánamo-Gefangenen von wesentlichen rechtsstaatlichen Elementen ausgeschlossen. Zu groß ist auch die Angst der Behörden, die Gefangenen könnten öffentlich darüber berichten, welche Behandlung ihnen während der jahrelangen Gefangenschaft in geheimen CIA-Gefängnissen zuteil geworden ist - flugs wurde all das zum Thema nationaler Sicherheitsinteressen deklariert, über das nicht gesprochen werden darf. Das heißt auch, dass die Verteidigung weiterhin keinen oder nur eingeschränkten Zugang zu den von der Anklage vorgebrachten Beweisen haben wird. Statt die Frage der Verwendbarkeit dieser Beweise, wie im normalen Verfahren, vor Gericht feststellen lassen zu können, wird sie zum Schweigen verpflichtet werden. Das ist Junk Justice.

Die US-amerikanischen Antiterrorkämpfer haben sich durch ihren törichten und rechtswidrigen Umgang mit den mutmaßlich hochrangigen Al-Qaida-Gefangenen in eine Sackgasse manövriert, aus der sie juristisch sauber gar nicht mehr herauskommen können. Wo Geständnisse unter Folter erpresst wurden, werden sie vor Gericht unbrauchbar. Verwendet man sie dennoch, ist das Gerichtsverfahren unglaubwürdig.

Vielleicht setzt sich wenigstens jetzt die Einsicht durch, dass rechtsstaatliches Vorgehen und effektive Terrorbekämpfung kein Widerspruch sind, sondern zusammengehören. Dann könnte die angekündigte Zulassung von Anwälten tatsächlich als erster Schritt gewertet werden.

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Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org

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