Kommentar: Comeback des Wählerwillens
Der rot-rote Senat setzt im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit auf öffentlich geförderte Jobs. Die Handschrift der Linkspartei ist unübersehbar.
Seit zwei Wochen debattiert die SPD bundesweit über ihre Sozialpolitik. Parteichef Kurt Beck hatte die Chuzpe besessen, die verlängerte Auszahlung des Arbeitslosengeldes I zu fordern - und damit die ebenso umstrittene wie von seiner Partei erfundene Agenda 2010 in Frage gestellt. Das wird - je nach Sichtweise - als Salto rückwärts oder als revolutionärer Schritt nach vorne interpretiert. Und was macht die SPD in Berlin? Sie lässt Beck mit seiner Arbeitslosengeldidee wie einen sozial angehauchten Politiker der CDU aussehen - und haut richtig Geld raus. Für 10.000 staatlich geschaffene Arbeitsplätze.
Nun ist es keineswegs so, dass ausgerechnet in der Berliner SPD das altersschwache Herz der Sozialdemokratie noch lauter schlägt als anderswo. Doch hier sitzt als Herzschrittmacher die Linke mit im Boot. Und der ist es tatsächlich gelungen, die SPD zu ihren sozialdemokratischen Wurzeln zurückzutreiben.
In sechs Jahren rot-roter Koalition trug bisher kein anderer Senatsbeschluss so eindeutig die gestalterische Handschrift der Linkspartei. Zuvor konnte sie nur die allergrößten Sparbeschlüsse abmildern. Das schmeckte den Wählern der PDS überhaupt nicht. Bei der Wahl 2006 flüchteten sie in Scharen - und bewirkten gerade damit das Comeback linker Politik im Senat.
Denn um nicht völlig das Gesicht zu verlieren, musste die Linkspartei deutlich ihre Essentials für den Fortbestand der rot-roten Koalition benennen: kein weiterer Verkauf von Wohnungsbaugesellschaften, die Gemeinschaftsschule als Modellversuch - und eben der öffentliche Beschäftigungssektor. Bei allen drei Punkten ist die Linke auf gutem Weg. Das mag Andersdenkenden in der Stadt nicht passen. Aber die Linkspartei entspricht damit dem Willen ihrer Wähler - und denen der SPD.
Genau deshalb müht sich auch Kurt Beck um ein Essential, das die SPD für die Wähler wieder erkennbar machen würde. Denn anders als im Abgeordnetenhaus hat die SPD im Bundestag vor nichts mehr Angst als vor der Abhängigkeit von einem linken Herzschrittmacher.
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