Kommentar: Call me, forget it

Die Rufnummer 115 soll Bürgern den Kontakt zu den Ämtern erleichtern.

Mal ehrlich. Man muss sich das Wort "Bürgerhotline" doch nur einmal auf der Zunge zergehen lassen, und schon fühlt es sich an, als hätte man sich jene zerbissen. "Bürgerhotline": das schmeckt nicht nach dem netten ahnungslosen Fräulein von der Bezirksamtspforte, der Warteschleife oder exzentrischen "Ich-stell-Sie-durch-Typen", wo man dann weiss Gott wo landet. "Bürgerhotline" schmeckt nach Blut, ist signalrot und knallhart. Es meint: Bürger und Behörde sind eins, hotlinemäßig, call-me-mäßig, flatratemäßig. Super!

Doch ist das nicht eigentlich grüner Hotline-Faschismus, Notruf-Terror und Helfersyndron-Irrsinn? Ist es. Denn was sich eine Bande von telefonnärrischen Weltverbesserern da ausgedacht hat, bedeutet nichts anderes als den Verlust von wichtigen Lebenserfahrungen. Das ist doch ungerecht.

Schon, dass bei "115" sofort das Bürgeramt ins Telefon kräht, was zu tun ist, bedeutet ein Defizit. Denn musikalisch gesehen ist der Dauerhit aus Mozarts "Kleiner Nachtmusik" - der heute bei Anrufen ins Amt minutenlang auf der Schleife gehört werden muss - doch nichts anderes als musische Fortbildung. Und brauchen wir nicht auch in Tagen der Sprachverkümmerung pädagogisch wertvolle Ansagen aus ganzen Sätzen bestehend - noch dazu erotisch gehaucht - wie "Zur Zeit sind alle Abfrageplätze belegt, bitte rufen Sie uns später wieder an"?

Selbst wer sein Handy zerbissen hat und sich real in den Behördendschungel begibt, hat dort doch schönere Erlebnisse als mit dem Gutämtertelefon. Stichwort: menschlicher Kontakt. Schließlich, die Nummer "115" kommt aus der DDR. Das reicht ja dann wohl!

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