piwik no script img

KommentarFriede, Freude, Möhrenbörek

Während die Mittel für die Arbeit der erfahrenen Sozialarbeiter stetig gekürzt werden, hat der Senat offenbar eine neue Form der Problemlösung entdeckt: gemeinsames Kochen. Für Kreuzberg ein riesengroßer Rückschritt. Kommentar

Da setzt der Quartiersrat eines Kreuzberger "Problemkiezes" sechs ehemals selber harte Jungs (und ein Mädchen) ein, um ganz nach dem Motto "Den Bock zum Gärtner machen" an diejenigen Jugendlichen besser ranzukommen, die heute dort auf den Straßen abhängen - und diese und manche ihrer AnwohnerInnen gern auch mal etwas unsicher machen. Die Herangehensweise dieses Projekts: "Den Kids auf der Straße einfach mal zuhören", wie einer der sechs Kiezläufer seine Aufgabe beschreibt. Das klingt ehrenwert und immerhin wie ein guter Anfang von etwas. Doch von was? Bei der Frage nach dem Zweck der Maßnahme beginnt die große Ratlosigkeit.

Es kann deshalb wenig überraschen, wenn erfahrene Sozialarbeiter aus dem Kiez um den Kotti mit - milde ausgedrückt - Verwunderung auf die durchweg positive Bilanz reagieren, die das Kiezläufer-Projekt jetzt nach einem halben Jahr Tätigkeit präsentierte. SozialpädagogInnen und Streetworker sind dort seit Jahren und Jahrzehnten tätig. Während die Mittel für ihre Arbeit stetig gekürzt werden, hat der Senat nun offenbar eine neue Form der Problemlösung entdeckt: gemeinsames Kochen. Der begeisterte O-Ton des für die Kiezläufer zuständigen Mitarbeiters des Senats für Stadtentwicklung: "So einfach funktioniert diese Welt!"

Doch das ist leider ganz einfach nichts anderes als ein klassischer Anfängerirrtum. Sie ist nämlich nun mal einfach nicht einfach, die Welt, in der die Jungs und Mädchen leben (müssen), die, sei es rund ums Kottbusser Tor oder in Neukölln oder im Wedding, auf den Straßen abhängen: ohne sinnvolle Aufgabe, ohne vernünftiges Ziel, ohne jede größere Aussicht, mal ein gutes Leben führen zu können. Diese gerne verniedlichend Kids genannten Jugendlichen brauchen, da haben die erfahrenen Sozialarbeiter recht, kein Möhrenbörek. Das bekommen sie zu Hause. Sie brauchen Anregung, Anleitung, Perspektiven - und die realistische Chance, solche umzusetzen. Ihnen kartoffelschälend näher zu kommen, ist unbestritten eine interessante persönliche Erfahrung. Aber es ist eben nur ein Anfang - und für Kreuzberg heißt das: ein riesengroßer Rückschritt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • TL
    Taz LÜGT

    Dieser Artikel ist im Auftrag von Monika Herrmann erschienen und zeigt eindeutig die Strategie der Grünen Stadträtin.

    Den Senat dafür verantwortlich zu machen das der Bezirk kein Geld hätte für Jugendarbeit. Nur das Monika Herrmann 2 Millionen Euro zurückzahlen muss, weil sie die Gelder nicht ausgegeben hat oder Das Monika Herrmann 150 000 Euro Steuergelder ohne Ausschreibung in das Familienzentrum Waldemarstraße steckt ohne Konzept, aber Hauptsache Jugendwohnen im Kiez ev. wird bedient , darüber spricht keiner.