Kommentar: Die Bahn macht sich lächerlich
Dass der Zug mitten in der Stadt des Verbrechens stehen muss, ist gerade in Berlin evident. Kommentar
Irgendwie kann man Hartmut Mehdorn verstehen: Dass mitten in seinem schönen Berliner Hauptbahnhof ein paar alte Waggons stehen, in denen das hässlichste Kapitel der Geschichte der deutschen Bahn öffentlich ausgestellt wird, ist sicher keine angenehme Vorstellung für den Bahnchef. Der neue Glaspalast ist einer der zentralen Bahnknotenpunkte der Republik, täglich kommen hier zehntausende Menschen durch: Wenn ausgerechnet an diesem Ort der "Zug der Erinnerung" an die Beteiligung der früheren Reichsbahn bei der Ermordung von jüdischen und anderen Kindern erinnert, ist das ein Pfahl im Fleische des Bahnkonzerns. Trotzdem muss Mehdorn einlenken. Je länger er sich der Ausstellung verweigert, desto lächerlicher macht er sich und seine ohnehin unbeliebte Firma.
Dass der Zug mitten in der Stadt stehen muss, dort wo viele Menschen sind, dort, wo die Verbrechen begangen wurden, ist gerade in Berlin evident: Hier, in der damaligen Reichshauptstadt, saßen die Institutionen, die den Holocaust organisierten. Hier lebte die größte jüdische Gemeinde Deutschlands, von hier wurden mindestens 4.646 jüdische Kinder in die Vernichtungslager deportiert - das ist mit Abstand die höchste Zahl im Vergleich mit anderen deutschen Städten.
Und ausgerechnet hier soll die Ausstellung auf unwichtige Nebenbahnhöfe wie Gesundbrunnen oder Charlottenburg abgeschoben werden, wie es die Bahn vorgeschlagen hat? Das kann nicht einmal Herr Mehdorn ernst meinen. Falls doch: Die schlechte Presse, die sein Konzern für diese Geschichtspolitik bekommt, ist längst viel geschäftsschädigender als es ein Bekenntnis zur unrühmlichen Vergangenheit je sein könnte.
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