Kommentar: Alle gegen Wowereit
Eine Woche vor dem Volksentscheid macht sich die Bundeskanzlerin für den Flughafen Tempelhof stark. Vielen Flugplatzfans muss man ein noch eine anderes Motiv unterstellen. Sie spekulieren auf die Demontage von Klaus Wowereit.
K urz vor Toresschluss herrscht großes Gedränge in Tempelhof. Als eine der Letzten versucht nun auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, mit ihren Argumenten bei den Wählern zu landen. Es ist offensichtlich: Beim Volksentscheid geht es um was. Die Frage ist nur: Um was genau?
Eine Woche vor dem Volksentscheid hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für den Erhalt des Flughafens Tempelhof eingesetzt. "Der Weiterbetrieb ist nicht nur von Bedeutung für Wirtschaft und Arbeitsplätze; der Flughafen ist für viele und für mich persönlich mit der Luftbrücke ein Symbol der Geschichte dieser Stadt", sagte Merkel. Sie forderte die Berliner auf, sich an der Abstimmung am 27. April zu beteiligen. Andere Bundespolitiker wie die Fraktionschefs der Linken und Grünen im Bundestag, Gregor Gysi und Renate Künast, widersprachen Merkel. Gysi bat die Berliner in einem Brief, mit Nein zu stimmen: "Es ist Zeit, Abschied zu nehmen von den drei alten Berliner Flughäfen. Sie sind Kinder der Teilung der Stadt, jetzt stehen sie für ein veraltetes Konzept." Künast warf Merkel vor, sich "leichtfertig vor den Karren einer parteipolitischen Kampagne spannen zu lassen". Die Bundesregierung habe dem Konzept des neuen und alleinigen Hauptstadtflughafens BBI in Schönefeld zugestimmt. Unterdessen versicherte Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD), dass der Bund die Kosten für den Flughafen Tempelhof übernähme, wenn der Flugbetrieb weiterliefe.
Sachlich gesehen, geht es um Umweltschutz, Sicherheit und Verschwendung öffentlicher Gelder auf der einen, um Businessinteressen, Berliner Geschichte und Zweifel an der sinnvollen Nachnutzung auf der anderen Seite. Den am lautesten lärmenden Tempelhoffans aber darf man guten Gewissens noch ein anderes Motiv unterstellen. Sie spekulieren auf die Demontage von Klaus Wowereit.
Da ist die CDU, die sich für Nostalgiker und Jeteigner gleichzeitig starkmacht. So kann sie hoffen, im rot-roten Berlin wieder ein paar Fans zu gewinnen. Da ist Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD), der ankündigt, den Flugplatz aus Bundesmitteln zu finanzieren. So kann er hoffen, dass ein parteiinterner Konkurrent durch eine Abstimmungsniederlage beschädigt wird. Und da ist Bahnchef Hartmut Mehdorn. Nicht nur Wowereit, auch Thilo Sarrazin zählt zu seinen Erzfeinden. Und da ist die Riege der Wirtschaftskapitäne, der eine sozialistische Partei an der Spitze der Hauptstadt ein Dorn im Auge ist.
Wowereit selbst hat erklärt, dass er den Ausgang des Volksentscheids ignorieren will. In Bezug auf Tempelhof darf er das tun - rein rechtlich. Für Wowereits politische Zukunft aber könnte die Abstimmung noch eine bedeutende Rolle spielen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!