Kommentar: Die CDU besteht den ersten Test
Umsturz bei der union
Sie haben bei der CDU zuletzt viel über Erneuerung gesprochen. Die Mitglieder sollten mehr mitreden können, der Landesvorstand sollte die eigentliche, transparente Machtzentrale sein statt der in keiner Satzung vorgesehenen Kungelrunde der CDU-Kreisvorsitzenden. Doch neue Absprachen und Streitereien legten nahe: alles nur Gerede.
Beim Parteitag am Samstag aber hat die erneuerte CDU ihren ersten Test bestanden. Denn mit dem überraschenden Votum gegen Exparteichef Ingo Schmitt beendeten die Delegierten nicht nur eine 27-jährige Berufspolitikerkarriere. Sie befreiten sich vielmehr auch von dem System von Absprachen und Abhängigkeiten, für das Schmitt stand.
Nur zum besseren Verständnis: Was bei den Grünen normal ist - dass Vorstandsempfehlungen sang- und klanglos durchfallen, dass die Basis aufmuckt -, das war bei der CDU bisher überhaupt nicht vorgesehen. Da galt: Der Kreisvorsitzende gibt die Linie vor, und seine Delegierten nicken ab. Wer nicht spurte, konnte seine Chancen auf ein Mandat im Abgeordnetenhaus, einen Stadtratsposten oder auch nur einen Sitz im Bezirksparlament vergessen. Es herrschte reinstes Klientelwesen wie im alten Rom.
Dass Schmitts Durchfaller kein Versehen war, zeigte sich unmittelbar nach der Abstimmung. Denn die alte Kungelrunde hatte immer noch nicht verstanden, was da gerade passierte. Sofort wollten mehrere Kreisvorsitzende, in dieser Funktion gar nicht antragsberechtigt, den Parteitag unterbrechen und wie üblich in kleiner Runde bereden, wie es weitergehen sollte. Statt das hinzunehmen, pfiffen und buhten viele Delegierte, sodass die Kreisvorsitzenden dann doch noch aufwachten und zurückzogen.
Andere Parteien werden sich zwar nicht übermäßig darüber freuen, wenn ihnen die bisher so sieche CDU wieder mehr Konkurrenz macht. Aber auch sie wissen: Eine CDU in dauerhafter Selbstzerfleischung schadet dem Ansehen von Politik und Demokratie insgesamt - und damit auch den anderen Parteien.
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