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KommentarGewalt schadet dem Anliegen

Kommentar von Svenja Bergt

Eigentlich gehen steigende Mieten alle etwas an. Doch dass nicht jeder gegen sie auf die Straße geht, liegt auch der Protestform.

Ein berechtigtes, in Teilen geradezu altruistisches Anliegen war es, das die Demonstranten am Samstag nach außen trugen: bezahlbare Mieten für alle. Wer wollte da nicht mit auf die Straße gehen? Schließlich sehen sich in Berlin wohl nicht nur die paar Tausend, die am Wochenende demonstrierten, mit steigenden bis unbezahlbaren Mieten konfrontiert. Doch die Demonstranten, besser gesagt, ein kleiner Teil von ihnen hat mit seinem aggressiven und gewalttätigen Vorgehen schon wieder verhindert, dass sich in Zukunft eine breite Masse von Menschen den Protesten anschließen wird.

Dabei wäre diese Demonstration eine Chance gewesen. Ein neues, buntes Demo-Konzept hatten die Veranstalter vorher angekündigt, der gewalttätige schwarze Block sollte der Vergangenheit angehören. Noch zu Beginn stellten sie unmissverständlich klar: Prügeln ist nicht. Die Demonstranten hätten also friedlich durch die Stadt ziehen können, die Polizei hätte gemerkt, dass ein derart großes Aufgebot an Beamten gar nicht nötig ist, und beim nächsten Mal wären auch Berliner gekommen, die keine Lust haben, zwischen schwarzen Block und Polizisten im Kampfanzug zu geraten.

Mit den Angriffen gegen ein Polizeiauto und gegen Polizisten selber wurde diese Chance vertan. Noch schlimmer: Die Krawallmacher haben der Sache geschadet. Denn steigenden Mieten durch das Umwerfen von Polizeiautos und Zerschlagen von Scheiben zu begegnen, schreckt nicht nur potenzielle Mitdemonstranten ab. Es schadet auch dem Anliegen der Demonstration. Wer Gewalt einsetzt, sorgt dafür, dass die Proteste in der öffentlichen Wahrnehmung ein Anliegen von Chaoten bleiben. Und die Mieten sinken davon auch nicht.

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Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.
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5 Kommentare

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  • R
    R.M.

    @ SVENJA BERGT:

    Dem Kommentar liegt ein sehr undemokratisches Weltbild zugrunde:

    Nicht die versuchten schweren Körperverletzungen gegen Polizisten und Gäste der zerstörten Restaurants oder die Sachbeschädigungen werden beklagt, sondern für Sie ist "das Schlimme"(sic), das "die Sache" jetzt eine schlechte Publicity hat.

    Sind Sie eigentlich so asozial oder schreiben Sie nur so?

    Mit der Bitte um Antwort,

    Roland Michl

  • E
    ex-Hainer

    Dieser Kommentar zeigt die ganze Naivität die in Teilen der linken Szene herrscht. Es wird nie eine derartige Demo ohne Gewalt gegen Polizei und Gegenstände geben. Das ist in Wahrheit vom Großteil der friedlichen Demonstranten auch gar nicht gewollt, denn so ginge der "Event-Charakter" einer solchen Demo verloren. Das ist wie bei vielen Leuten am Wochenende in der Disko. Wenn man sich nicht geprügelt hat wars kein gutes Wochenende. Ich besuche schon seit Jahren solche Demos nicht mehr, auch wenn mir viele Sachen in unserem Land und unserer Stadt nicht passen.

    Weil viele Demonstranten mit den Gewalttätern sympathisieren und da sein wollen wo was passiert, wird auch gar nicht versucht sich auf dr Demo räumlich vom Schwarzen Bock zu trennen. Die Polizei kann soviele Anti-Konflikt-Teams schicken wie sie will. Die Aggression geht großteils von den Demonstranten aus und das weiß auch jeder. Ich weiß auch das es Polizisten gibt, die Demos nutzen um sich abzureagieren und das halte ich für schrecklich und nicht tragbar. Aber rumzujammern wenn ein Bulle durchdreht, der mit der Gewissheit zu so einer Veranstaltung fährt dort im Flaschenhagel als Zielscheibe zu dienen halte ich nicht nur für naiv sondern auch für zu tiefst doppelmoralisch.

  • D
    demo-teilnehmer

    moment mal, liebe taz: ich war auf der demo (eure redakteurin auch?), und sie war komplett friedlich. auch nachdem sich ein teil der teilnehmerInnen zum randale machen abgespalten hatte, wurde die eigentliche demonstration friedlich und planmäßig zu ende geführt. dass es überhaupt zu gewalt kam, lag im übrigen an der polizei: erst als eine gruppe von polizisten an der ecke revaler/simon-dach-straße ein haus stürmte, von dessen dach zuvor flyer geworfen und feuerwerk gezündet worden war, griffen andere menschen deren mannschaftswagen an. eine absolut unnötige aktion der polizei - wenn die das schon verfolgen müssen, hätte es auch nach der demo passieren können, schließlich wohnen die "dachaktivistInnen" vermutlich dort.

  • LG
    Lars G

    An einer Demonstration, an der auch Gewaltsuchende teilnehmen, sollte man m.E. mit möglichst "ziviler" Kleidung und friedlichen Gimmicks wie Luftballons, Blumen und mit Freunden, Verwandten und Bekannten eines möglichst großen Alterssprektrums teilnehmen. Es ist auch nicht falsch, in ruhigen Momenten mit den Polizisten zu reden, das sind meist in den Kasernen angeheizte Jugendliche, denen die Angst ins Gesicht geschrieben steht, wenn sie als anhaltinische Kleinstadtazubis an die Front zu den bösen Hauptstadtpunks geschickt werden. Dann gibt man ihnen die Möglichkeit zu diffenzieren. Das hat schon geholfen.

  • F
    frederik

    Meinetwegen. Aber vielleicht sollte man mal darüber nachdenken, dass die Polizei eine Demonstration auch bewusst gewaltätig werden lassen kann. So soll es ja auch ungefähr gewesen sein am Samstag. Wenn die Stadt also nicht will, dass es einen breiten Protest gegen Mietsteigerungen und Gentrification gibt, hat sie auch ihre Möglichkeiten.