■ Kommentar: Ein fauler Apfel...
Der Prozeßauftakt war spektakulär: Gleich 16 Mann saßen auf der Anklagebank, ein junger Polizist trat (ungewöhnlich genug) als Kronzeuge gegen seine Kollegen auf. Das war es dann auch schon – der Prozeß bis hin zur milden Strafe verlief in gewohnten Bahnen. Polizeiverantwortliche weisen bei solchen Gelegenheiten gerne darauf hin, daß eine privilegierte Behandlung von PolizistInnen nicht stattfinde, daß die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen führe und unabhängige Richter das Urteil sprächen. Die Weißwäscher kennen allenfalls einen Tätertyp in Uniform: das schwarze Schaf.
Davon scheint es in Berlin viele zu geben. Jedes Jahr werden hier rund 600 Anzeigen wegen Körperverletzung im Amt erstattet. Nur ein Bruchteil wird tatsächlich auch verhandelt – zumeist mit ähnlichen Ergebnissen wie dem gestrigen. Daß „schwarzen Schafen“ so nicht beizukommen ist, liegt auf der Hand. Gegen die Mauer der sich gegenseitig deckenden Beamten kommen die Richter selten an. Deren Mechanismen sind dabei ebenso einfach wie erschreckend. Niemand hat etwas gesehen. Beweismittel sind nicht ausreichend oder aussagefähig genug. Zeugen sind unglaubwürdig etc. Für Polizeizeugen hat die Kollegenschar härtere Bandagen: Sie werden madig gemacht (so jetzt geschehen) oder so ernsthaft bedroht, daß ein Beamter schon unter Schutz gestellt werden mußte (so geschehen im Hamburger Polizistenprozeß).
Daran wird sich nichts ändern, wie die politisch Verantwortlichen nicht bereit sind, die Konsequenzen zu ziehen und solche Kumpanei nicht länger zu dulden. Ein fauler Apfel verdirbt den ganzen Korb, wenn er nicht schleunigst entfernt wird. Danach aber sieht es immer noch nicht aus. Otto Diederichs
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