■ Kommentar: Parlamentsreform ist eine reine Machtfrage
Verfahrensfragen sind Machtfragen. Deshalb geht es auch bei der Parlamentsreform nicht in erster Linie darum, wie die Arbeit des Abgeordnetenhauses besser gestaltet werden kann, sondern jede Partei versucht vor allem ihre eigenen Interessen zu wahren.
Denn die Verkleinerung des Parlaments oder die Zahl der Vizepräsidenten ist keineswegs eine technische Angelegenheit, sondern berührt immer die Einflußsphäre der Parteien. Eine Reduzierung der Direktmandate ginge zu Lasten von CDU und PDS, die bei den vergangenen Wahlen mit Abstand die meisten Direktkandidaten hatten. Die SPD versucht, der PDS eins auszuwischen, indem sie die Zahl der Vizepräsidenten auf einen reduzieren will. Dann nämlich ginge die PDS leer aus – immer vorausgesetzt die Kräfteverhältnisse ändern sich nicht bei den nächsten Wahlen.
Doch auch die PDS und die Bündnisgrünen mischen kräftig mit beim Poker um die Macht. Wenn beide Oppositionsparteien einen Vizepräsidentenposten für jede Fraktion fordern, dient die inflationäre Postenvermehrung vor allem der Absicherung der eigenen Machtpositionen. Zumal vier VizepräsidentInnen hoffnungslos unterbeschäftigt sein dürften.
Je mehr mit einem Vorschlag die eigene Interessensphäre ausgebaut werden soll, desto staatstragender wird die Begründung formuliert: Geradezu dreist ist, daß die CDU ihren Vorschlag, die Mitglieder aller Ausschüsse wählen zu lassen, mit dem Argument untermauert, dies sei in der Verfassung so festgelegt.
Da dieser Vorschlag auf den entschiedenen Widerspruch von SPD und Opposition stoßen dürfte, ist er wohl eher unter der Rubrik „Verhandlungsmasse“ abzubuchen. Doch wenn bei den Beratungen im Ältestenrat nicht die Vernunft über das parteipolitische Eigeninteressen siegt, werden es wohl schwierige Beratungen werden. Dorothee Winden
siehe Bericht Seite 26
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