■ Kommentar: Steigbügelhalter
Denkt der Mann wirklich so weit voraus? Daß Wirtschaftssenator Rittershaus 1996 ausgerechnet über die Zukunft von Moorburg und Francop ab 2030 – Rittershaus wird dann bereits seinen 99sten Geburtstag begangen haben – Gedanken macht, verwundert. Da werden Prognosen aufgestellt, wann die noch nicht einmal gebauten Umschlagplätze in Altenwerder aus allen Nähten platzen und auf Grundlage optimistischer Wirtschaftsprognosen wird ein ungeheurer Containerboom prophezeit.
Das Unternehmen des Vizebürgermeisters ist so seriös, als würde sein Kollege Ortwin Runde heute die Hamburger Steuerschätzung für das Jahr 2028 vorlegen. Entweder hat hier einer endgültig die Bodenhaftung verloren oder er hat Hintergedanken. Über Ersteres wollen wir nicht spekulieren, Zweiteres macht zehn Monate vor der Bürgerschaftswahl Sinn. Denn die Bestandsgarantie für Moorburg und Francop zumindest bis 2015 gehörte zu den wenigen Zugeständnissen, die die GAL der SPD in den Koalitionsverhandlungen 1993 abhandeln konnte und die später Eingang in den Kooperationsvertrag zwischen SPD und Statt fanden.
Auch bei einem erneuten rot-grünen Koalitions-Palaver 1997 wird die Hafenerweiterung eine Rolle spielen. Da Altenwerder kaum verhandelbar ist, wird die SPD anderes anbieten, die GAL anderes fordern müssen. Was läge da näher als wieder Moorburg und Francop als Verhandlungsmasse nehmen.
Doch dazu muß erstmal die Bedrohung der beiden Dörfer auf die Bildfläche gezerrt werden – sonst hat die GAL ja nichts, was sich zu retten lohnt. Hier liegt das Verdienst des parteilosen Rittershaus: Als Steigbügelhalter einer möglichen rot-grünen Koalition. Marco Carini
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