■ Kommentar: Türkischer Populist
Ein Türkisches Gymnasium, deutsch-türkische Kitas in allen Stadtteilen – das ist die Vision des ehemaligen Präsidenten der Türkischen Gemeinde, Mustafa Çakmakoglu. Vordergründig soll mit dem zweisprachigen Unterricht die Sprachkompetenz der Immigrantenkinder verbessert werden. Doch Çakmakoglu geht es mit seiner neuen Lobbyorganisation „Türkische Minderheit“ um etwas anderes: Die türkischen Einwanderer sollen auf Dauer einen Minderheitenstatus in Deutschland erhalten.
Çakmakoglus Konzept der gesonderten Einrichtungen führt aber geradewegs in eine Parallelgesellschaft und wirkt sich integrationshemmend aus. Die zweite, dritte und vierte Einwanderergeneration wird eine deutsch-türkische Doppelidentität entwickeln. Die Vorstellung, die türkische Identität lasse sich konservieren, ist Wunschdenken. Doch Çakmakoglu weiß, daß er mit solch nationalistischen Tönen die Stimmungslage weiter Teile der türkischen Immigranten trifft.
Çakmakoglus Hintergedanke: Wenn es gelänge, eine Interessenvertretung mit breiter Basis zu schaffen, könnte dies der türkischen Gemeinschaft zu mehr Einfluß verhelfen – sein Vorbild ist die Jüdische Gemeinde. Wer die Alleinvertretung für die türkische Gemeinschaft beanspruchen kann, avanciert zum Ansprechpartner für Behörden. Auch die türkische Regierung hätte ein Interesse an einem solchen Brückenkopf. Mit der Idee, soziale Einrichtungen für Türken zu schaffen, wildert Çakmakoglu noch dazu im Revier der Islamisten, die mit der gleichen Strategie versuchen, Anhänger zu gewinnen. Insofern schafft Çakmakoglu mit seiner laizistischen Neugründung zusätzliche Konkurrenz statt Einheit. Sein Verein ist bereits der vierte, der um die konservative Klientel wirbt. Dorothee Winden
Siehe Bericht Seite 18
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen