■ Kommentar: Sender ohne Perspektive
Es hätte so viele Möglichkeiten gegeben. Wären der Berliner Senat, die Parteien im Abgeordnetenhaus, die Führungskräfte im SFB oder die Rundfunkräte tatsächlich an einem starken öffentlich-rechtlichen Sender in der Hauptstadtregion interessiert, sie hätten schon längst etwas dafür tun können. Sie haben alles dagegen getan. Warum sollte das anders werden, nachdem SFB-Intendant Günther von Lojewski gestern seinen Rücktritt ankündigte? Dem Mann, den einst die CDU holte, dessen Wahl ein Betriebsunfall war und dessen Amtszeit bedrohliche Stagnation, wird einer (oder auch eine) nachfolgen, der/die den Staub inhalierte, unter dem die potentiell glänzenden Perspektiven des Senders vor sich hinsiechen.
Schon werden in der CDU Listen von Parteijournalisten gehandelt. Schon scheint in den Gremien einiges auf die ganz kleine Lösung mit Fernsehdirektor Horst Schättle zuzulaufen, der zwar zur SPD zählt, aber getrost als Mann des Immer-weiter-so gelten darf. Auch die Medienstrategen im Senat haben in den letzten Wochen keinen Zweifel daran gelassen, daß sie alles für eine SFB-Spitze tun würden, die ihnen hörig ist. Bürgermeister Diepgen träumt zwar vom „starken Hauptstadtsender“, sprich: dem Einzug einer Großanstalt. Einstweilen ist ihm aber die schwach agierende Anstalt am liebsten. Die Probleme, die Lojewski hinterläßt, sind beträchtlich: Finanziell ist der SFB von der Sanierung weit entfernt, strukturell stehen alle Weichen auf Erstarrung – das Haus ist überaltert und verstrahlt den Charme einer Westberliner Wärmestube. Zudem ist für die Absicherung des Senders weder medienpolitisch noch programmlich etwas getan. Eine Perspektive für die Fusion mit dem ORB fehlt völlig. Ein bedrohliches Vakuum für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk entsteht dadurch, daß ORB-Intendant Rosenbauer den Sender ebenfalls verlassen wird. Den SFB retten könnte allenfalls einer, der medienpolitisch versiert und betriebswirtschaftlich erfahren ist. Und der den Sender schnell in die gleichberechtigte Fusion mit dem ORB führt. Ist NDR-Verwaltungsdirektor Lutz Marmor, dessen Name nun immer öfter genannt wird, dieser Mann? Man kann es bezweifeln. Aber wer will schon, daß der SFB gerettet wird? Lutz Meier
Bericht Seite 18
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen