■ Kommentar: Rauswurf auf Weltniveau
Alle Achtung, das muß man erst einmal können, so forsch danebenzuhauen, wie es die Kulturverwaltung in Sachen Jüdisches Museum und Barzel permanent fertigbringt. Die jüngste Meisterleistung, der regulären Kündigung von Amnon Barzel zum 30. September eine fristlose mit Wirkung ab 27. September hinterherzuschieben, verrät eine Entscheidungsfreudigkeit, von der sich der restliche Senat drei Scheiben abschneiden kann. Was für ein Glück für den Juristen Peter Radunski, daß der unbequeme Ex-Museumsdirektor, Ex-Hauptabteilungsleiter Barzel israelischer Staatsbürger ist.
Denn wenn er, wie seine Kollegen und Vorgesetzten, Deutscher wäre, hätte man – schon rein arbeitsrechtlich gesehen – so nicht mit ihm umspringen können. Dann wäre er nämlich nicht Angestellter, sondern wie alle anderen ein Beamter. Und Beamte kann man nicht kündigen, erst recht nicht fristlos, sondern man hievt sie auf einen anderen Posten. Als Deutscher und Beamter wäre der Polemiker Barzel allerdings nur ein Kandidat für die Leitung einer Taubstummenanstalt. Denn in der Politik sind alle Posten besetzt. Dort wimmelt es von in irgendwas qualifizierten Aufsteigern, die man unterbringen mußte, gerade weil sie ständig reden und dennoch nie etwas sagen.
So aber, was für ein Geschenk des Himmels, können die Auseinandersetzungen über die Museumskonzeption und über Barzels Visionen rein arbeitsrechtlich erledigt werden. Mit Politik hat das selbstverständlich rein gar nichts zu tun. Ganz so, wie es das Handbuch „Wie werde ich meine Angestellten los“ empfiehlt, suchte man einen Grund, die normale Kündigung zu verstärken, der Arbeitsgerichtsverhandlung am 18. Dezember den Wind aus den Segeln zu nehmen. Und natürlich um eine drohende Abfindung für den 63jährigen Barzel zu verhindern – Finanzloch ist schließlich Finanzloch.
Wenn auch sonst die Hauptstadtpolitik seit langem verposemuckelt, in dieser Angelegenheit hat die Kulturverwaltung Weitsichtigkeit bewiesen. Bis nach Derry, Nordirland, hatte sie ihre Ohren aufgestellt, um herauszufinden, daß Barzel etwas gesagt hat, was er taktisch nicht hätte sagen dürfen. Auch dem Angestellten Barzel sei somit gedankt. Denn, eins ist sicher, ohne Barzels Lästerzunge würde die Kulturbürokratie immer noch meinen, Derry sei eine Biersorte. Anita Kugler
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