piwik no script img

■ KommentarImmerhin Gesetz

Immerhin eine kreative Auffassung von Gesetzesdingen, die Heinz-Viktor Simon in die politischen Spielregeln der Berliner Filzlandschaft eingebracht hat: Für ihn gelten die Bestimmungen des Berliner Wahlgesetzes erst dann, wenn auch das Bundesverfassungsgericht diese nicht verworfen hat.

Der CDU-Abgeordnete und Gehag-Vorstand Simon hat beschlossen, daß ihn die Unvereinbarkeit von Abgeordnetenhausmandat und Vorstandsposten einer städtischen Gesellschaft – wie im Wahlgesetz fixiert – nicht dazu bringen kann, von einem seiner Posten Abschied zu nehmen. Er zieht sich argumentativ darauf zurück, daß er Klage beim Bundesverfassungsgericht gegen die Bestimmung des Wahlgesetzes eingereicht habe. Bis aus Karlsruhe eine Entscheidung kommt, hält sich das routinierte CDU-Urgestein nicht an die Gesetzeslage.

Es ist schließlich Simons gutes Recht, ernsthaft und vorurteilsfrei über das Berliner Wahlgesetz nachzudenken. Seine Partei allerdings kann sich derlei geistige Freizügigkeit eigentlich nicht leisten. Nachdem Simon nun als Gehag-Vorstandschef über das Jahr 1998 hinaus bestätigt wurde, muß sich der CDU- Landesvorsitzende Eberhard Diepgen bewegen. Jenseits der juristischen Zweifelhaftigkeit Simonscher Argumentation geht es hier um die politische Frage der Verfilzung von politischer Kontrolle und unternehmerischem Interesse. „Interessenkollision“ hatte das Bundesverfassungsgericht in einer ersten Stellungnahme zu dem Fall geschrieben.

Anfang des Jahres hatte sich die CDU-Führung hinter Simon gestellt. Das Problem sei der Gehag-Job, nicht das Parlamentsmandat. Simon hat sich jedoch erneut eindeutig für die Gehag entschieden. Nun kann er aus gutem demokratischen Grund nicht zur Aufgabe des Mandats gezwungen werden. Zum einen aber hat sich Diepgen bislang geweigert, ausreichend Druck auf seinen Parteifreund auszuüben. Zum anderen war es der Aufsichtsrat der Gehag, der Simon in seinem Job bestätigt hat. Im Aufsichtsrat, der mit 7:2 Stimmen für Simon votierte, sitzen vier Vertreter des Senats. Genug Einflußsmöglichkeiten also für den Landesvorsitzenden und Regierungschef. Barbara Junge

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen