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■ KommentarGesicht wahren

Wenigstens einen Vorteil hat das lange Ende des Kottmair-Projekts: Aldo Rossi muß es nicht mehr miterleben. Der italienische Meisterarchitekt der Postmoderne starb im Dezember 1997 bei einem Autounfall. Daß auch Rossis Projekt am Leipziger Platz nicht mehr zu retten ist, pfeifen unterdessen die Spatzen von den Dächern. Selbst wenn die Münchner CSU-Connection noch einen Aufschub bei der Zahlung der ersten Kaufrate erbringen sollte, ist die Finanzierung des 1,2-Milliarden-Projekts unsicherer denn je. Welche Bank finanziert schon den Kauf eines Grundstücks in Höhe von 310 Millionen Mark, für das nach Marktlage heute nicht einmal mehr 200 Millionen zu erzielen wären. Und der Hinweis Kottmairs auf internationale Finanziers oder der Vorschlag eines Joint-ventures mit der TLG ist eher Ausdruck von Hilflosigkeit als einer soliden Finanzierung.

Doch nicht nur Kottmair steckt in einem Dilemma, sondern auch die TLG. Unabhängig davon, daß die Auflösung des Kaufvertrags einen jahrelangen Rechtsstreit nach sich ziehen könnte, müßte die TLG bei einer Neuausschreibung nicht nur einen wesentlich niedrigeren Kaufpreis hinnehmen, sondern auch eine Lösung für die Sanierung des U-Bahn-Tunnels bieten. Doch dazu waren die Treuhand-Immobilienhändler bislang nicht in der Lage. Und die BVG sowie Klemann stellen sich stur.

Um zu vermeiden, daß der Leipziger Platz noch über Jahre eine Brache sein wird, ist es nicht unwahrscheinlich, daß die TLG deshalb auf andere Lösungen zurückgreift. Nicht im Sinne eines Joint-ventures von Kottmair, sondern einer eigenen Projektentwicklung, wie sie die TLG bereits auf dem Gelände der Schultheiss-Brauerei in Prenzlauer Berg vorantreibt. Und wenn die TLG dann noch den Kottmairs den Rossi-Entwurf abkauft, könnten beide Seiten von sich behaupten, das Gesicht gewährt zu haben. Uwe Rada

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