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KommentarVolle Hosen in Bonn

■ Höppner könnte der SPD mehr helfen, als sie im Moment denkt

Die gestrige Bild-Schlagzeile ließ eigentlich keine Fragen mehr offen: „Der Beton- Kopf“ hieß sie, daneben ein Foto von Reinhard Höppner. Trotzdem zeigte sich die Zeitung besorgt. „Was ist härter“, fragte sie, „sein Kopf oder die Wand?“ Wenn die Frage schon mal so gestellt ist, dann kann man sie auch mal ganz einfach beantworten: sein Kopf. Der sanfte Christenmensch Reinhard Höppner war beim Kampf gegen die Wand, die SPD-Parteizentrale, härter und zäher, als ihm die meisten zugetraut hatten. Er hat sich den Bonner Wünschen verweigert und die Große Koalition in Sachsen-Anhalt beerdigt.

Diese Entscheidung ist in der Sache richtig, auch wenn sie in der Form etwas bemüht wirkt. Natürlich konnte sich Höppner nicht auf die Spielchen der CDU einlassen und die PDS als extremistische Partei abstempeln lassen. Das wäre eine politische Bankrotterklärung seiner Arbeit der letzten vier Jahre gewesen. Aber Höppners zur Schau getragener verletzter Stolz, sein bisweilen antifaschistisches Pathos nähren den Verdacht, daß der Bruch mit der CDU von Anfang an gewollt war. Am Ergebnis ändert das jedoch nichts.

Höppner trägt mit seiner SPD-Minderheitsregierung der Tatsache Rechnung, daß es in Sachsen-Anhalt, wie fast überall im Osten, eine politische Mehrheit links der Mitte gibt. Wenn sich aus dem Magdeburger Wahlergebnis ein Wählerwille herauslesen läßt, dann ist es am ehesten ein Zusammengehen der SPD (36 Prozent) mit der PDS (knapp 20 Prozent), sei es in Form einer Tolerierung oder einer Koalition. Dieses Landesinteresse gegen die Wahltaktik in Bonn verteidigt zu haben wird der SPD im Osten Sympathien und Stimmen bringen, vielleicht sogar mehr, als die SPD im Westen bei einem Lagerwahlkampf verlieren könnte – wenn sie überhaupt Stimmen verliert. Im Westen ist die Einsicht in die Probleme des Ostens in den letzten vier Jahren genauso gewachsen wie das Desinteresse daran. Das spricht dafür, daß die Angstkampagne der CDU diesmal nicht zieht.

Aber was machen Schröder und Lafontaine? Sie warten mit vollen Hosen darauf, daß Hintze neue Rote-Socken-Plakate klebt. Die Bonner SPD muß Sachsen-Anhalt und den Wunsch nach ostdeutscher Selbstbestimmung offensiv verteidigen. Wenn sie das begreift, dann wird sie an Höppners Coup vielleicht noch mehr Freude haben, als sie im Moment selbst für möglich hält. Jens König

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