Kommentar: Politik statt Taktik
■ Sachsen-Anhalt: Wie bekämpft man die DVU am effektivsten?
Wie können die demokratisch gewählten Vertreter der DVU am effektivsten politisch neutralisiert werden? Seit dem Einzug von 16 leibhaftigen rechtsextremistischen Abgeordneten der DVU in den Landtag Sachsen-Anhalts herrscht Aufregung um diese Frage. Gerne hätte die SPD den Alterspräsidenten aus den Reihen der DVU wie einst die Parteikollegen in Schleswig-Holstein vor der konstituierenden Sitzung mit einem Griff in die Trickkiste der Geschäftsordnung aus dem Scheinwerferlicht gedrängt. Die Nordlichter hatten, vor das gleiche Problem gestellt und getreu dem Motto „Kein Fußbreit den Faschisten“, nicht den ältesten (DVU-)Abgeordneten ernannt, sondern den dienstältesten. Der ist in Sachsen-Anhalt allerdings ein PDSler, was für die dortige CDU bekanntlich so etwas Ähnliches wie ein DVUler ist. Also blieb es beim großen Auftritt Rudi Wiechmanns (DVU), der vor seiner Eröffnungsrede erwartungsgemäß eine ganze Kiste Kreide gefressen hatte.
Man wünscht den Sozialdemokraten ein weniger taktisches Verhältnis zu demokratischen Gepflogenheiten und statt dessen mehr Mut zur offensiven politischen Auseinandersetzung, wie sie die PDS fordert. Wenn überhaupt, so lassen sich die rechtsextremen Wähler nur mit einer Politik zurückgewinnen, die ihre Lebenslage verbessert. Einer mit taktischen Änderungen der Geschäftsordnung an den parlamentarischen Rand gedrängten DVU wird es dagegen leichtgemacht, sich in der bequemen Märtyrerrolle einzurichten, mit der sich ihre Wähler allzu schnell identifizieren könnten.
Tatsächlich bereitet der Einzug der DVU den etablierten Parteien ein ganz anderes Problem. Nun, da die DVU in Magdeburg herumpoltern darf, könnte der Öffentlichkeit schneller als in der Vergangenheit auffallen, welcher Ideologie und Rhetorik sich auch der eine oder andere Christ- und Sozialdemokrat der (neuen) Mitte bedient. Deshalb kann man dem Landtagspräsidenten Sachsen-Anhalts, Wolfgang Schäfer (SPD), in seinem Vorhaben, er wolle mit allen Mitteln darauf hinwirken, das Parlament vor jedem „Schatten von Rassismus, Nationalismus und Ausländerfeindlichkeit“ freizuhalten, nur viel Erfolg wünschen. Gelingt das künftig in den Parteien der Mitte, wäre dies durchaus ein kleiner, zivilgesellschaftlicher Gewinn. Dank DVU.
Eberhard Seidel-Pielen Bericht Seite 6
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