■ Kommentar: Zerrbild und Realität
Mit Realität hat es nur wenig gemein, wenn Innensenator Jörg Schönbohm davon spricht, daß er nicht in einer multikulturellen Gesellschaft leben möchte. Er bedient dennoch die platten Vorurteile jener Menschen, die um so kräftiger den Ausländern eine Integrationsbereitschaft abfordern, je weniger sie selbst dazu bereit sind. Schönbohm wächst damit immer mehr in die Rolle hinein, die sein Amtsvorgänger Heinrich Lummer einst bei der Einbindung des rechten Randes für die CDU spielte. Das Land, welches der Innensenator zeichnet, gibt es längst nicht mehr – und der Exgeneral ist klug genug, das selbst zu wissen.
Wenn jede vierte Ehe zwischen einem deutschen und einem ausländischen Partner geschlossen wird, dann sagt das mehr über die Normalität des multikulturellen Zusammenlebens aus als die Horrorbeschreibungen à la Schönbohm. Wer in Berlin Ausländer-„Ghettos“ sieht, in denen er sich nicht mehr in „Deutschland“ fühlt, der macht auf üble Weise Wahlkampf, aber keine Politik zum Wohle der Stadt. Die wachsende Zahl der binationalen Eheschließungen darf man nicht überbewerten, aber sie sind ein Detail im Gesamtbild eines friedvollen Zusammenlebens. Wer die in den innenstädtischen Bezirken wirklich vorhandenen Probleme lösen möchte, muß vor allem diese Normalität fördern. Innensenator Schönbohm aber tut dies nicht, sondern verschärft mit den grobschlächtigen Bildern nur die Konfrontation. Gerd Nowakowski
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