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KommentarKleineres Übel?

■ In Fragen der Inneren Sicherheit steuert die SPD auf CDU-Kurs

In dieser Woche hat die SPD eindrucksvoll unterstrichen, daß sie sich als Oppositionspartei frühzeitig in die Sommerpause geschickt hat. Gleich zweimal erfreute sie Innenminister Kanther: zum einen, indem sie die Sammlung von Gen-Daten verurteilter Straftäter nur in der Strafprozeßordnung verankerte und nicht in einem eigenen Gesetz. Zum anderen, indem sie den neuen Kompetenzen des Bundesgrenzschutzes zustimmte. In beiden Fällen rühmte sich die SPD, Schlimmeres verhütet zu haben. „Abmilderung“ war das Schlagwort der Woche. Das ist Schönfärberei. Zum Beispiel das Grenzschutzgesetz: Verdachtsunabhängige Kontrollen in Zügen und Bahnhöfen sind nur noch nach einem „polizeilichen Lagebild“ möglich, wie es die SPD verlangt hatte. Doch was heißt das? Wird künftig auf Bahnstrecken nach Holland, auf denen der Drogenschmuggel vermutet wird, doch jeder kontrolliert?

In der Innenpolitik hat die SPD ihre neue Rolle erprobt. Warum der CDU dort etwas entgegensetzen, wenn man ihr doch insgeheim in grundsätzlichen Fragen zustimmt? Otto Schily, den Gerhard Schröder als Innenminister will, bereitet das Feld vor, auf dem sich die Akteure nach der Wahl treffen und die Große Koalition beschließen können. Schon beim Großen Lauschangriff werkelte er mit der Union an einem Kompromiß, jetzt auch beim Grenzschutzgesetz. Auf dem Gebiet der Innenpolitik hat sich die SPD bis zur Kenntlichkeit der Union angeglichen.

Bloß nicht vorführen lassen, lautet die Devise der SPD-Parteizentrale. So wurden in den letzten Tagen aus der SPD- Fraktion ein erfolgreicher Kompromiß nach dem anderen gemeldet. Der Eindruck der Stärke, der da vermittelt werden soll, diente letztlich nur einem rhetorischen Zweck: Man hat getan, wozu man glaubte, dem liberal gesinnten Teil der Öffentlichkeit gegenüber verpflichtet zu sein. Die Rezeptur wirkt: Kaum jemand nahm Anstoß an den Kompromissen, die doch schon als Vertragsklauseln eines künftigen Koalitionsvertrages gelten könnten.

Und die Union? Wenn es nach dem 27. September so weiter geht wie in dieser Woche, muß es ihr nicht bange sein. Kanzler mag ein anderer werden. Aber was macht das schon, wenn der Partner die eigenen Vorstellungen so trefflich teilt. Unter solchen Bedingungen Kompromisse zu schließen — das wird eine Freude sein.

Severin Weiland Bericht Seite 5

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