■ Kommentar: Diktatur der Love Parade
Man stelle sich vor, irgendwelche Autonomen machen eine 1.-Mai-Demonstration und lassen nur ihnen genehme Pressevertreter auf den Kundgebungsplatz. Autonome Ordner stehen an den Rändern der Versammlung und behindern alle Journalisten, die in ihren Augen nicht lang genug oder nicht willfährig genug von ihrer Demo berichten. Ein Aufschrei würde durch die Stadt gehen.
Ähnlich wie jene imaginären Autonomen gehen jetzt die Veranstalter der Love Parade vor, die nach ihren eigenen Aussagen nichts anderes vorhaben, als eine Demo für Nettigkeit und Menschlichkeit. Ihre „Love Parade GmbH“ schließt Verträge mit Fernsehsendern und verspricht ihnen offenbar die besten Kamerapositionen, als wäre ihre „politische Demonstration“ das Endspiel zur Fußball-WM. Die Sender müssen sich im Gegenzug verpflichten, der GmbH genau Umfang und Art ihrer Berichterstattung garantieren. Der Senat hat den Veranstaltern der Love Parade einst aus Kulanz ermöglicht, ihr Spektakel als politische Demo anzumelden und läßt anschließend auf Kosten der Steuerzahler auch noch den Müll beseitigen. Die Love Parade GmbH freilich macht in ihrem Geschäftsgebaren deutlich, daß es sich längst um ein kommerzielles Unternehmen handelt.
Daß sich die Geschäftsführung des Senders Freies Berlin in ihrer grenzenlosen Naivität einen solchen Knebelvertrag aufschwatzen läßt, ist das eine. Viel bedenklicher ist jedoch, daß die Love Parade GmbH mit ein paar Drohungen („Wir gehen sonst nach Paris“), der öffentlichen Hand die Verfügung über den öffentlichen Raum entwinden kann. Weiter, als es jedem 1.-Mai- Aktivistentrupp je gelungen ist. Lutz Meier
Lesen gegen das Patriarchat
Auf taz.de finden Sie eine unabhängige, progressive Stimme – frei zugänglich, ermöglicht von unserer Community. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen