Kommentar: Ist Beckstein Gott?
■ Bayerns Innenminister verteidigt sein Allerheiligstes gegen die Grünen
Der bayerische Innenminister Günther Beckstein ist ein Mann der forschen Tat. Er läßt Kurden und Bosnier abschieben, „notfalls im Alleingang“, fordert Zwangstherapie für Junkies, Schleierfahndung für das ganze Land und Sicherheitswacht für alle. „Ich bin kein Diplomat“, rechtfertigt er sein rigides Vorgehen gegenüber Kritikern.
Günther Beckstein kann aber auch ein ausgemachtes Sensibelchen sein. Dann redet er von „armen bedauernswerten Geschöpfen“ oder, wie im Falle des grünen Wahlplakats mit dem Slogan „Beckstein würde auch Jesus abschieben“, von „Gemeinheit“ und „Blasphemie in Höchstkultur“. Und das, obwohl er doch weiß, daß ein Jesus heute in Bayern keine Chance auf ein Bleiberecht oder eine Duldung hätte. Und Härtefallregelungen gibt es dank Beckstein seit dem Asylkompromiß 1993 auch nicht mehr.
Der grüne Slogan hat Beckstein so tief getroffen, weil er Millionen von bayerischen Christenmenschen vor Augen führt, wie inhuman die Politik ihres praktizierenden Glaubensbruders ist. Der Slogan offenbart ein Dilemma der CSU: Ihre bislang treue Gefolgschaft, die christlichen Wähler, ist dabei, von der weißblauen Regierungspartei abzurücken – wegen Beckstein.
Ihre Unzufriedenheit konzentriert sich auf den Innenminister, der als „überzeugter Christ“ auch in der Synode der evangelischen Landeskirche sitzt. Dort sitzen inzwischen auch die entschiedenen Gegner seiner Politik. Pfarrer schreiben in aller Regelmäßigkeit Resolutionen gegen die Abschiebepraxis, Diakonissen protestieren gegen Ausweisungen, Kirchengemeinden gewähren Kirchenasyl, und Bischöfe halten dort demonstrativ Gottesdienste.
Mit seiner Kampagne gegen das grüne Wahlplakat hofft Beckstein auf Solidarität der Christen, um sich so der Angriffe des politischen Gegners zu erwehren. Deswegen beschwört er, dem humanitäre Werte so wenig gelten, nun Menschenwürde und religiöse Gefühle. Die Grünen hätten sein Allerheiligstes in Zweifel gezogen und damit Grenzen überschritten, ruft er in die Gemeinde – und hofft auf Empörung. Was aber ist das Allerheiligste eines bayerischen Innenministers? Fest steht für Beckstein, wer sein Allerheiligstes verletzt, ist ein Blasphemist, ein Gotteslästerer. Ist Beckstein Gott? Der Wähler wird's entscheiden. Bernd Siegler
Bericht Seite 5
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen