■ Kommentar: Vereinigungsopfer
Der Denkmal-Aktivismus hat sich ein neues Opfer ausgesucht. Zehn Jahre nach dem Fall der Mauer ist jetzt die Vereinigung dran. Um die recht in Szene zu setzen, will man auf dem alten Sockel des Kaiser-Wilhelm-Denkmals mit einem „Wiedervereinigungsdenkmal“ zu Werke gehen. Was zunächst wie ein Witz daherkam, muß man nun ernsthaft fürchten, denn auch die Bauverwaltung droht mit positivem Bescheid, falls das Ding mit privaten Mitteln finanziert wird.
Doch ein Witz bleibt das Ganze: Nicht allein, daß als Standort für west-östliche Patriotismus-Feiern das Areal am Schloßplatz anvisiert wird. Darüber hinaus glauben die Initiatoren ernsthaft, zehn Jahre nach dem Mauerfall sei genug Geschichte vergangen, um uns mit einem Mahnmal für die Täter der Vereinigung belästigen zu müssen.
Die Vereinigung braucht kein Denkmal. Schon gar keines anstelle eines Gott sei Dank verschwundenen häßlichen wilhelminischen Nationalklotzes. Wer meint, das Zusammenwachsen von Ost- und Westdeutschland benötige ein euphemistisches Symbol, storniert zudem den widersprüchlichen Prozeß der Vereinigung und legt ihn zu den Akten. Was die Vereinigung braucht, ist das Gegenteil von Mahn-, Denk- oder Sonstwasmälern. Sie muß mit Leben gefüllt und nicht als Artefakt begraben werden. Rolf Lautenschläger
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