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KommentarEine historische Chance

■ Das ETA-Angebot eröffnet erstmals die Aussicht auf Frieden

„ETA verkündet einen unbefristeten Waffenstillstand. Heute haben wir alle gewonnen.“ Statt der üblichen Fußballbilder prangte gestern diese Schlagzeile ganzseitig auf dem Titelblatt der größten spanischen Sportzeitung, Marca. Die baskische Untergrundgruppe ETA hat erstmals in 40 Jahren einen Waffenstillstand ohne zeitliche Begrenzung verkündet. Die Pistolen sollen schweigen, die Politiker reden.

Sicherlich: Dieser Schritt ist aus der Not geboren; das linksnationalistische Lager war isoliert. Doch es ist ein sträflicher Fehler, diesen Schritt als „trügerische Manöver“ vor den Regionalwahlen am 25. Oktober abzutun, wie es der spanische Innenminister Jaime Mayor Oreja vor einigen Tagen tat, als sich die Waffenruhe abzuzeichnen begann. Zwar ist richtig, daß die linksnationalistische Partei Herri Batasuna nie ein so gutes Wahlergebnis erzielt hat wie 1989, als die ETA in Algier mit der damaligen Regierung an einem Tisch saß. Doch anstatt alte Wahlergebnisse zu analysieren, sollte die Regierung lieber die Friedenshoffnungen sehen, die die Menschen damals hegten.

Auch viele ETA-Gegner, die nach Anschlägen regelmäßig auf die Straße gehen, sind einem Dialog nicht abgeneigt. Wer diese Menschen, wie Mayor Oreja, für eine polizeiliche Strategie vereinnahmen will, beweist nur seine Unfähigkeit zur Aussöhnung. Natürlich tauchen in der ETA-Erklärung einmal mehr die Maximalforderungen nach einer Zusammenführung der spanischen und französischen Provinzen des Baskenlandes und der anschließenden Unabhängigkeit auf. Doch zu Anfang des Friedensprozesses in Nordirland war das nicht anders. Wer hätte eine Annäherung, wie sie in Stormont stattfand, von vornherein für möglich gehalten?

Den gemäßigten baskischen Nationalisten von PNV und EA fällt jetzt der schwierigste Part zu: die Vermittlung. Sie müssen zum einen die ETA und ihr Umfeld dazu bewegen, von den Maximalforderungen abzugehen – und zum anderen die Regierung in Madrid überzeugen, daß der lange und sicherlich auch mühsame Weg zur politischen Konfliktbewältigung lohnt. Nur so kann die Gewalt gebannt werden. Und nur so kann das baskische Volk frei über seine Zukunft entscheiden, sei es in Unabhängigkeit oder innerhalb Spaniens und Frankreichs. Den ersten und wichtigsten Schritt dazu hat die ETA jetzt mit der Verkündung der Waffenruhe gemacht. Reiner Wandler

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