■ Kommentar: Fehlstart bei der SPD
Der Schlamassel ist perfekt. Anstatt sich noch ein paar Tage über das phänomenale Ergebnis der Bundestagswahl zu freuen, hat sich die SPD ohne Not in einer Personaldebatte verheddert. Daß die Frage der Spitzenkandidatur für die Abgeordnetenhauswahl im Herbst 1999 auf die Tagesordnung rückt, war abzusehen. Doch reichlich ungeschickt machte sich die SPD-Spitze an die Lösung des verzwickten Problems, welchen der drei Kandidaten – Böger, Momper, Strieder – die Partei auf den Schild heben soll.
Der Landesgeschäftsführer machte den Vorschlag einer Urwahl öffentlich, noch bevor der Landesvorstand darüber beschlossen hatte. Eine monatelange Personaldebatte sollte damit vermieden werden, erreicht wurde jetzt das Gegenteil. Böger, der offenbar befürchtete, bei einer Urwahl ins Hintertreffen zu geraten, verkündete offiziell, was ohnehin alle längst wußten: daß er für eine Spitzenkandidatur zur Verfügung steht.
Eine Urwahl mag als basisdemokratisches Mittel ihre Berechtigung haben, die Mitgliederabstimmung wird aber pervertiert, wenn die Parteispitze sich damit um eine schwierige Entscheidung drücken will. Es wäre klüger gewesen, in den Parteigremien nüchtern abzuwägen, welcher der drei Kandidaten am besten geeignet ist, Eberhard Diepgen als Regierenden Bürgermeister abzulösen. Diesen Prozeß zu steuern, wäre die Aufgabe von Parteichef Detlef Dzembritzki gewesen. Die notorische Führungsschwäche von Dzembritzki, der seit Sonntag auch noch Bundestagsabgeordneter ist, ist erneut offenkundig geworden – zum Schaden der Partei. Derartig desorganisiert können die Sozialdemokraten in Berlin keine Wahlen gewinnen. Dorothee Winden
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