Kommentar: So ist Stadtleben
■ Die Gnade des Um-die-Ecke-Wohnens
Sie haben es gut! Sie alle, die sie in jenen buckligen Sträßchen in unserem Viertel leben. Hier ist es ruhig und persönlich, ein bißchen wie auf dem Dorf. Da können Sie schon mal vergessen, daß sie im Zentrum einer Halbmillionenstadt Quartier genommen haben. Nur gelegentlich dräut urbane Veränderung, wie jetzt mit der lobensweretn brainlift-Initiative, die Internet für alle verspricht und zu diesem Zweck in der Weberstraße ein Internet-Café aufgemacht hat. Da schleicht sich Leben, Tätigkeit, Aktivität ins ruhige Viertel ein.
Dabei ist die Forderung nach einem reinen Wohngebiet im Viertel historisch überhaupt nicht zu rechfertigen. Von der alten städtischen Mischung aus Wohnen, Arbeiten und Vergnügen zeugen die alten Gewerbebauten der Aucoop und des Lagerhauses oder die clandestinen Nebenstraßen-Kneipen, die den Charme des Viertels ausmachen – und die heute nicht mehr genehmigungsfähig wären.
Ein neuer Anziehungspunkt für Computerfreunde, die auch mal ein Bier trinken, tut dem Viertel und Bremen gut. Das müssen die Nachbarn aushalten, schließlich geht es auch um Existenzen. Wer in den Viertel-Nebenstraßen lebt, ist leicht verwöhnt. Weniger Glück haben jene, die um die Ecke an den wenigen Hauptverkehrsstraßen leben, Aber irgendwie ertragen Menschen den Lärm von Autos oder Straßenbahnen klagloser als gelegentliches Türeschlagen, Lachen zum Abschied oder Schritte auf dem Asphalt. Joachim Fahrun
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