Kommentar: Diepgen rennt
■ Aber Momper und Böger werden immer schon da sein
Eberhard Diepgen steht mit der sozialdemokratischen Basisentscheidung vom Sonntag vor einer nahezu unlösbaren Aufgabe. Während die beiden Sozialdemokraten Walter Momper und Klaus Böger ihre Rollen nun strategisch aufteilen können, muß Diepgen seinen Spagat zwischen Amt und Partei weiterhin aufrechterhalten und dabei noch überzeugend wirken.
Trotz innerparteilicher Wahlniederlage kann sich der Fraktionsvorsitzende Klaus Böger nun darauf konzentrieren, die große Koalition mit gewohntem Pragmatismus zu Ende zu bringen. Ohne die sozialdemokratische Linie zu vernachlässigen, kann Böger seine Kraft der Großen Koalition zur Verfügung stellen – und unterliegt keinerlei parteipolitischen Profilierungszwängen.
Diepgen-Herausforderer Momper dagegen kann sozialdemokratische Essentials formulieren, ohne sich um deren politische Durchsetzung in der Großen Koalition kümmern zu müssen. Ganz anders Eberhard Diepgen. Streift der Regierende seine Robe ab, um nach mühsamen Kompromisssen im Senat die eigentliche Linie seiner Partei unters Wahlvolk zu bringen, wird er nicht nur mit seiner eigenen Glaubwürdigkeit gegenüber der Parteibasis zu kämpfen haben. Auch wird ihm Walter Momper frei von Zwängen stets zurufen: Ich bin schon da.
Auf der anderen Seite wäre ein kompromißloser „Renner“ Diepgen, der die Interessen der Partei über die der Koalition stellt, ein gefundenes Fressen für die SPD, ihrerseits die Koalition mehr noch als bisher in Frage zu stellen. Eine Blockiererrolle kann sich Diepgen in der Großen Koalition angesichts der für die Stadt dringenden Entscheidungen nicht leisten.
Sowohl Momper als auch Böger werden ihre jeweiligen Rollen glaubwürdiger ausfüllen können als der Regierende Bürgermeister, der zugleich CDU-Landesvorsitzender ist. Kein Wunder, daß der CDU-Fraktionsvorsitzende Klaus Landowsky die Flucht nach vorne ergreift. Walter Momper als SPD- Spitzenkandidat sei für die CDU das Beste, betonte er. „Diepgen rennt“, heißt der Noch-Wahlslogan der CDU. Nun aber muß sich der Noch-Regierende nicht wundern, wenn die SPD schon überall da ist, wo er hinrennen will. Barbara Junge
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