Kommentar: Milosevic' Spiel geht nicht mehr auf
■ Der OSZE-Missionschef Walker bleibt im Kososvo
Die Entscheidung der jugoslawischen Regierung, den Leiter der OSZE-Beobachtermission im Kosovo, William Walker, vorerst nicht auszuweisen, ermöglicht beiden Seiten, ihr Gesicht zu wahren. Die internationale Gemeinschaft wird vorerst die Bombenflugzeuge am Boden lassen, und Milosevic steht, indem er den Ausweisungsbescheid lediglich „eingefroren“ hat, innenpolitisch als unbeugsam da. Die Entscheidung sei auf Bitten der russischen Regierung getroffen worden, ließ er erklären. Wer sollte auch einem Freund etwas abschlagen? Überall wird aufgeatmet. Der Zwang, aufgrund des Massakers von Racak einen Militärschlag durchzuführen, kam zu diesem Zeitpunkt ohnehin niemandem gelegen.
Zwar werden mit starken Worten Nachbesserungen gefordert. Endlich solle Milosevic die Chefanklägerin des UN-Tribunals, Louise Arbour, in den Kosovo einreisen lassen, doch alle Beteiligten wissen: Es wird geredet, es wird Zeit verstreichen. Die OSZE-Beobachter bleiben vor Ort, Arbour wird als Kompromiß irgendwann einmal eine Delegation untergeordneter Mitarbeiter schicken. Und die OSZE- Mission kann weiterhin in Ruhe den Vormarsch der serbischen Truppen beobachten. Das sieht alles nach Altbekanntem aus. Und dennoch sollte sich die serbische Führung nicht zu sicher fühlen. Das Spiel, erst eine Hürde aufzubauen, um sie dann zähneknirschend halb einzureißen, hängt den meisten mit Exjugoslawien befaßten Politikern und Diplomaten zum Halse heraus.
Das mutige Auftreten von William Walker hat der OSZE-Mission mehr Glaubwürdigkeit verliehen und manchem ihrer Mitarbeiter den Rücken gestärkt. Der Mechanismus, den Augenzeugen zu bestrafen, um andere zur „Zurückhaltung“ zu veranlassen, hat diesmal nicht funktioniert. Auch die internationale Gemeinschaft braucht Zeit. Nach dem Debakel im Irak ist klargeworden, daß Bombardements als „Bestrafungsaktionen“ gegen Serbien kaum einen Sinn machen, wenn nicht ein zweiter Schritt erfolgen kann.
Aufhorchen lassen muß der britische Vorschlag, 5.000 bis 8.000 Mann eigene Bodentruppen nach Makedonien zu verlegen. Diesen Vorschlag in der Nato abzusegnen und anderen Ländern die Bereitschaft abzuringen, ebenfalls Bodentruppen zu stellen, braucht eben Zeit. Die Sache, so scheint es, ist noch nicht gegessen. Erich Rathfelder Bericht Seite 10
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