Kommentar: Zurück auf "los"
■ Die Kontaktgruppe hat sich bei den Kosovo-Verhandlungen verheddert
Sind die Kosovo-Verhandlungen nun unterbrochen, ausgesetzt oder verlängert worden? Wie man es auch nennt – die westliche Staatengemeinschaft hat in Rambouillet eine echte Pleite hingelegt. Manche hatten davor gewarnt, ein Konklave einzuberufen und auf weißen Rauch zu hoffen, während der mächtigste Kardinal sich durch ein paar Weihbischöfe vertreten ließ. Es fehlte auch nicht an warnenden Stimmen, die vorhersagten, daß der abwesende Milošević es schaffen werde, die Kosovo-Kontaktgruppe im Laufe der Verhandlungen auseinanderzudividieren. Aber USA und EU waren offenkundig so froh, überhaupt einen kleinsten gemeinsamen Nenner mit Rußland gefunden zu haben, daß das Ende der Untätigkeit allein schon als Erfolg gefeiert wurde.
Die Kontaktgruppe wollte offenkundig nicht sehen, daß es kein für Milošević glaubwürdiges Ultimatum gab. Das wiederum lag nicht nur an der bekannten Geschicklichkeit des jugoslawischen Präsidenten, die Differenzen zwischen USA und Europäern immer wieder aufzureißen. Die Kontaktgruppe hatte sich selbst zwei widersprüchliche Rollen zugelegt: einerseits als Vermittler zwischen den Kriegführenden, andererseits als Staatengemeinschaft, die zwei kleinen Konfliktparteien auf dem Balkan ihr Diktat auferlegt. Um Milošević ein wirksames Ultimatum zu setzen, hätten USA und Westeuropäer die Kosovo-Albaner bedingungslos auf ihrer Seite haben müssen. Die aber haben ihre Ziele weiter gesteckt, als es die Staatengemeinschaft zugestehen wollte und will: Sie beharren zäh darauf, ein Referendum über eine Unabhängigkeit des Kosovos an das Ende der dreijährigen Übergangszeit zu setzen.
Zu spät haben Albright und Fischer gemerkt, daß der Mechanismus der Konferenz selbst ihre Drohgebärde gegen Milošević aller Wirkung beraubte: Schließlich konnte man nicht Bomben auf Belgrad werfen, wenn auch die Kosovo-Albaner sich dem Diktat der Übergangslösung nicht beugen wollten. Das Resultat: Milošević hat sie wieder einmal an der Nase herumgeführt. Jetzt können Vermittler wieder in Belgrad antichambrieren. Die verschiedenen Gruppen der Kosovo-Albaner haben weitere Zeit gewonnen, sich mit der Übergangslösung abzufinden. Doch all das hätte man auch ohne die schlecht vorbereitete Konferenz von Rambouillet haben können. Jetzt heißt es: Zurück auf „los“! Michael Rediske
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