Kommentar: Heikle Antworten
■ Warum ist die Bluttat an Israels Konsulat so unklar?
Die Schockwelle über die Toten am israelischen Konsulat in der Schinkelstraße rollt immer noch durch die Stadt. Und so chaotisch das Geschehen am Mittwoch vergangener Woche war, so ungeklärt ist weiter die Frage, was sich dort in Wilmersdorf überhaupt abgespielt hat. Aber können der Schock über die Bluttat und das Chaos am Tatort wirklich erklären, warum das Geschehen weiter so sehr im Nebel liegt?
Wohl nicht. Das Problem liegt vielmehr offensichtlich darin, daß keine der beteiligten Seiten ein großes Interesse aufbringt, die Sache wirklich aufzuklären. Denn alle müssen befürchten, dabei schlecht wegzukommen. Zunächst die Kurden: Offenbar generalstabsmäßig haben PKK-Funktionäre, selber nicht am gefährlichen Ort, alles geplant – sie hätten mit der Verletzung, wenn nicht dem Tod ihrer Landsleute rechnen müssen. Die Tatsache, daß nur so mühsam kurdische Augenzeugen des Sturms auf das Konsulat zu finden sind, kündet von Unrechtsbewußtsein. Die kurdische Seite will lieber Mythen über ihre Märtyrer verbreiten als darüber aufklären, was wirklich geschah.
Aber auch die Israelis haben offenbar kein gesteigertes Interesse an einer Klärung der Vorfälle. Wie anders ist es zu verstehen, daß sie die Schützen so schnell außer Landes brachten – angeblich, um sie vor Racheaktionen zu schützen. Daß nicht alles nur Notwehr war, was die Israelis an diesem blutigen Aschermittwoch unternahmen, ist sehr wahrscheinlich.
Schließlich die deutschen Behörden: Je mehr die Berliner Politik, allen voran Innensenator Eckart Werthebach (CDU), zu erklären versucht, daß man alles versucht habe, was möglich war, um die vielen gefährdeten Objekte zu schützen, um so deutlicher wird: Auch die deutschen Behörden haben geschlafen, die Gefahr der Lage unterschätzt. Wahrscheinlich ist auch, daß aus diplomatischer Rücksicht unmittelbar nach der Bluttat nicht so gründlich ermittelt wurde, wie es sonst üblich ist. Nun aber ist das kaum noch nachzuholen, das Kind ist im Brunnen.
Und wann wird das Geschehen in und an der israelischen Vertretung denn nun aufgeklärt? Immerhin diese Antwort fällt leicht: wahrscheinlich nie.
Philipp Gessler Seite 27
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