Kommentar: Das Primat des Militärischen
■ Die Bundeswehr und die mögliche Intervention im Kosovo
Auf den ersten Blick sieht es so aus, als führte eine gerade Linie vom ersten Einsatz deutscher Bundeswehrsanitäter in Kambodscha zu der geplanten Operation im Kosovo, bei der auch die Beteiligung deutscher Soldaten an Kampfhandlungen nicht auszuschließen ist. Warnungen vor einer Militarisierung der Außenpolitik scheinen sich somit endgültig zu bestätigen. Oder doch nicht? Die Entwicklung im Kosovo kann zu einem Wendepunkt im Verhältnis zwischen Militär und Politik werden. Bisher krankten Interventionen in Krisengebieten stets an einem irrationalen Vertrauen in die Möglichkeiten militärischer Operationen und dem Glauben, allein schon die Präsenz ausländischer Militärs werde eine befriedende Wirkung auf die Konfliktparteien ausüben.
Diese Annahme hat sich in jedem Einzelfall als falsch erwiesen. Kambodscha ist Krisengebiet geblieben, Somalia hat als Staat aufgehört zu existieren, und internationale Truppen werden noch sehr lange in Bosnien bleiben müssen, soll ein neuer Bürgerkrieg dort verhindert werden. Militäroperationen sind eben kein Ersatz für politische Konzepte. Immerhin scheint sich diese Erkenntnis endlich herumzusprechen. Im Zusammenhang mit dem Kosovo fordern Außen- und Verteidigungsminister ein langfristiges internationales Engagement und bezeichnen die militärische Überwachung eines Friedensabkommens nur als Voraussetzung für eine Lösung der Krise in der Gesamtregion, nicht bereits als die Lösung selbst. Wenigstens an Kurzatmigkeit soll der geplante Einsatz offenbar nicht scheitern.
Ausländische Interventionen können aber nur dann erfolgreich sein, wenn sie auf einer international akzeptierten Grundlage basieren. Es ist keine günstige Ausgangslage, daß die Zustimmung Jugoslawiens zur Truppenstationierung, wenn überhaupt, vor dem Hintergrund einer völkerrechtlich angreifbaren Drohung mit Nato-Luftschlägen erzwungen wird. In den letzten Jahren haben sich die Nato- Staaten in immer stärkerem Maße von Pragmatismus statt von Prinzipien leiten lassen. Dauerhaft aber können sie sich so nicht von Krise zu Krise hangeln.
Das Recht des Stärkeren als alleiniger Maßstab begünstigt zwangsläufig das Primat des Militärs über die Politik. Im Kosovo entscheidet sich nicht nur die Zukunft des Balkans. Sondern auch die künftige Rechtsordnung der Staatengemeinschaft. Bettina Gaus Bericht Seite 2
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