Kommentar: Weniger Staat, mehr Wirtschaft
■ Oskars Abgang und Rot-Grün in Berlin
Der Rücktritt von Oskar Lafontaine (SPD) als Bundesfinanzminister hat Auswirkungen auf Berlin – wahrscheinlich negative. Sollte es nach der Wahl im Herbst zu einer rot-grünen Koalition im Abgeordnetenhaus kommen, werden sich die politischen Gewichte hier ähnlich verschoben haben wie auf Bundesebene.
Für den hiesigen Kernkonflikt der Landespolitik, den Streit um die Privatisierung öffentlichen Vermögens, bedeutet das: Der Wille zum verantwortungsbewußten Umgang mit staatlichem Eigentum nimmt ab, und die Begehrlichkeiten von privaten Investoren werden sich mehr und mehr durchsetzen.
Lafontaine hat den Versuch unternommen, auch unter den veränderten Bedingungen der globalisierten Ökonomie das Interesse der Allgemeinheit an sozialer Sicherheit zu wahren. Mit seinem Abgang setzt sich nun Schröders Konsenslinie mit der Wirtschaft durch, die in Berlin schon durch das Führungsquartett der SPD unter Spitzenkandidat Walter Momper vertreten wird.
Bereits in der Vergangenheit war die SPD-Linke auf dem Rückzug. Das dürfte sich in Zukunft verstärken. Denn im Streit um die Privatisierung landeseigener Unternehmen geht die Tendenz zunehmend dahin, zugunsten kurzfristiger Einnahmen für den Landeshaushalt die langfristigen Interessen des Staates zu vernachlässigen. Durch den schnellen Verkauf öffentlicher Betriebe bringt man sich um zukünftige Gewinne und entfacht wenig Druck, den neuen privaten Besitzern gesetzliche Zügel anzulegen. Hinter dem Primat der Haushaltskonsolidierung werden die Forderungen der Beschäftigten von Stadtreinigung und Verkehrsbetrieben zunehmend zurückzustehen haben. Die Privatisierung dieser Betriebe steht auch auf der Agenda eines rot-grünen Senats.
Neben privaten Investoren dürfte sich auch die Industrie- und Handelskammer die Hände reiben. Die Chancen für eine Senkung der Gewerbesteuer steigen. Umgekehrt werden es auch die kritischen Stimmen innerhalb der Grünen zunehmend schwer haben, sich Gehör zu verschaffen. Das gesamte Kräfteverhältnis verschiebt sich zugunsten eines wirtschaftsfreundlicheren Kurses. Hannes Koch
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