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KommentarKleinkariert

■ Die Stadt tut sich schwer mit Rudi Dutschke

Bilder aus dem akademischen Elfenbeinturm: Presse, Funk und Fernsehen tummeln sich bei der Taufe des Rudi-Dutschke-Wegs an der Freien Universität, die Nachrichtenagenturen bedienen die Redaktionen mit Berichten, Fotos und Dutschke-Porträts – nur an der Hochschule selbst ist die Ehrung kein Thema. Keine Rede des Ersten Vizepräsidenten, keine Plakate oder Broschüren, mit denen die Hochschule ihre Feierstunden sonst ankündigt.

Auch 31 Jahre nach dem Attentat auf Dutschke und 20 Jahre nach seinem Tod tut sich die Stadt mit dem Gedenken an den Studentenführer noch immer schwer. Den Vorschlag von Grünen und SPD, sein Grab auf dem Dahlemer Sankt-Annen-Friedhof in ein Ehrengrab umzuwandeln, soll der Regierende Bürgermeister gar für einen Scherz gehalten haben. Seine Zehlendorfer Parteifreunde wiesen entrüstet das Ansinnen zurück, in Dahlem eine öffentliche Straße nach Dutschke zu benennen. Und die FU-Spitze vermied bei der 50-Jahr-Feier der Hochschule jeden Bezug auf 1968. Sie zog es vor, den alten Frontstadt-Mythos aufzuwärmen.

Genau jene konservativen Politiker, die bei Straßennamen mit deutschnationaler, völkischer oder gar nationalsozialistischer Tradition gerne ein Auge zudrücken, nehmen es plötzlich ganz genau. Wer ein Ehrengrab oder einen Straßennamen bekommen soll, muß dann plötzlich ein „Gute-Stube-Demokrat“ sein, so Zehlendorfs CDU-Chef Lehmann-Brauns. Daß auch ein bißchen weniger „gute Stube“ für die Demokratie manchmal ganz nützlich sein kann, übersieht der Kulturpolitiker dabei. Und auch, daß die CDU erst in der Reaktion auf die 68er zu einer modernen Volkspartei wurde.

Doch für die alten Westberliner Kämpen zählen nicht Argumente, sondern Emotionen. Daß solche Kleinkariertheit einmal mehr das Negativklischee über die Hauptstadt befestigt, stört sie offenkundig nicht.

Auch die FU erweist sich mit dem Versuch, ihre turbulente Geschichte zu vergessen, keinen Dienst. Denn der Medienrummel beweist: Gerade dieser Teil der FU-Geschichte ist es, der die Hochschule interessant macht. Ralph Bollmann

Bericht Seite 22

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