Kommentar: Opportunismus
■ Das neue Planwerk ist eine Absage an Rot-Grün
Daß auch das neue „Planwerk Innenstadt“ weniger ein Schritt als vielmehr ein Tritt in Richtung Bezirke und Anwohner ist, ist nichts Neues – das war schon bei der Urfassung im November 1996 der Anlaß für massive Kritik.
Neu ist etwas anderes: Denn noch vor zwei Jahren hatte Stadtentwicklungssenator Peter Strieder das Planwerk als Angebot für eine rot-grüne Reformkoalition postuliert. Mit Stichworten wie Nachhaltigkeit, Straßenrückbau oder Stadtflucht und Umlandzersiedelung suchte Strieder damals die Grünen für seinen Plan zu erwärmen: Nicht ganz erfolglos, wie sich zeigte. Das Planwerk war in der Partei umstritten, nicht wenige prominente Grüne konnten sich durchaus für die neuen Eigentums-Bürgerhäuser in der „historischen Mitte“ erwärmen. In den Debatten lag das rot-grüne Bündnisangebot Szenario förmlich in der Luft: der grüne Verkehrsexperte Michael Cramer oder auch die grüne Finanzexpertin Michaele Schreyer als künftige Senatoren – und, natürlich, Peter Strieder.
Nun präsentiert der Stadtentwicklungssenator, ein knappes halbes Jahr vor den Wahlen, seine Fortsetzung des Masterplans in trauter Zweisamkeit mit CDU-Bausenator Jürgen Klemann. Man reibt sich die Augen: Solche Einigkeit mit dem Dauerrivalen und Autolobbyisten Klemann hat man bisher bei Strieder selten erlebt.
Zeitpunkt und Inszenierung sind ein klares Signal: nämlich eine Absage an eine rot-grüne Koalition. Schließlich ist Strieder nicht nur Senator, sondern auch Chef der Berliner SPD und Teil der Wahlkampf-Quadriga.
Mit Schwenks hat der Mann allerdings noch nie ein Problem gehabt. Das betrifft nun wohl auch die möglichen Koalitionen im Oktober. Soviel Instinkt fürs Opportune ist wohl Programm. Offenbar lassen sich Strieder und die SPD von Umfrageergebnissen doch stärker beeindrucken, als sie immer behauptet.
Auf der Strecke bleibt dabei aber nicht nur eine Option auf eine andere Koalition, sondern vor allem die Demokratie: Den Bezirken wird der Maulkorb namens „Leitlinien“ verpaßt, und die Bewohner der Stadt, so scheint es, haben ohnehin zu schlucken, was man ihnen vorsetzt. Ulrike Steglich
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