Kommentar: Schade für Schröder
■ Warum der Wahlsieger von Bremen die CDU braucht
Bremen hat seine alte sozialdemokratische Mehrheit wieder, und Wahlsieger Henning Scherf sagt, er sei sicher, daß der Bundeskanzler mit ihm zusammen den Sieg feiern werde. Das ist typisch Scherf, der sich von niemandem in seinem Optimismus übertreffen läßt. Natürlich wird sich Gerhard Schröder freuen, daß sich die SPD in dieser „Testwahl“ nach dem Kosovo-Krieg so gut gehalten hat; die Bremer Sozialdemokraten haben die Wähler, die sie 1995 verloren hatten, wiedergewonnen.
Für Schröder kann dies jedoch nur ein schwacher Trost sein. Denn wenn Scherf wie angekündigt seine Große Koalition fortsetzen will, dann wird sich die rot-grüne Bundesregierung bei jedem zustimmungspflichtigen Gesetz die erforderliche Zweidrittelmehrheit für den Bundesrat suchen müssen. Ankündigungen von Scherf, Bremen werde sich wie bisher „auf jeden Fall konstruktiv“ verhalten, „Gerhard Schröder kann mit uns rechnen, auch so“ sind Schmusesätze aus der Kiste „Die Stimmung ist gut“.
Beim Lauschangriff hat Scherf Schröder schon geärgert – der heutige Kanzler wollte damals, im niedersächsischen Wahlkampf, keine linken Experimente. Als es um das Staatsbürgerschaftsgesetz ging, waren die Fronten anders, da hätte Schröder gern die Bremer Stimmen sicher gehabt. Da Scherf mit der Großen Koalition regierte, brauchte Schröder die FDP. Aber für Bremen ist die Große Koalition zwingend, wenn auch aus einem ganz anderen Grund, als offiziell erklärt wird.
Die wesentlichen Weichen des „Sanierungsprogramms“ sind gestellt, die Milliardenhilfen verplant und ausgegeben, in der Stadt wird überall gebaut. Auch wenn sie es wollten – an der großen Richtung könnten die Grünen nichts mehr ändern, wenn sie nun mit der SPD die neue Landesregierung stellen würden. Im Grunde müßte es für den Wahlsieger Scherf verführerisch sein, den Erfolg dieses Sanierungsprozesses auf das Konto der SPD zu buchen. Aber die ökonomischen Fakten sprechen derzeit nicht für einen Erfolg, Scherf rechnet damit offensichtlich auch nicht. Er will die CDU um jeden Preis dabeihaben – nicht, weil er mit ihr den Erfolg teilen wollte, sondern weil er mit einem Mißerfolg rechnet. Das Schicksal des Bundeslandes Bremen steht auf der Kippe, und das soll die SPD nicht allein verantworten. Klaus Wolschner
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen