Kommentar: Niedere Mathematik
■ Warum ein paar zehntausend Wähler weniger Politiker nicht betrüben kann
Zwei Drittel der Hamburger Wahlberechtigten sind dumm, ignorant und schlecht informiert. Sie können die Europäische Kommission nicht vom gleichnamigen Parlament unterscheiden und haben ohnehin nicht verstanden, wozu man beide Einrichtungen braucht: So stellen sich die PolitikerInnen der Hansestadt ihre zahlreichen NichtwählerInnen vor.
Folglich grämen sie sich nicht lange über die erbärmliche Beteiligung an der Europawahl. Kaum sind die Stimmen abgegeben, zählt nur noch die Quote. Daß Zehntausende ehemalige AnhängerInnen zu Hause blieben, wird kurz betrauert und flugs vergessen.
Besonders angestrengt kneift die GAL die Augen zu. Die Grünen wußten, daß sie am Sonntag einen Test zu bestehen hatten. Und sie wollten ihn bestehen. Daß die Partei trotz Spaltung regierungsfähig ist, galt es zu beweisen, und daß linke WählerInnen sich nicht massenhaft abwenden würden.
Diese Behauptung läßt sich nur mit Hilfe niederer Mathematik belegen. Zwölf Prozent bleiben eben zwölf Prozent, egal, wie viele hundert sind. Fehl am Platz ist da die Frage, warum 64.000 GAL-WählerInnen vor fünf Jahren noch wußten, daß ein Europaparlament wichtig ist, diese Erkenntnis aber scheinbar vergessen haben.
Statt sich mit dem Problem der ProtestwählerInnen auseinanderzusetzen, berufen sich GAL, aber auch SPD und CDU, auf ihre Quoten – und machen Politik für jenes gute Drittel der HamburgerInnen, die sie allen Bemühungen zum Trotz noch immer nicht verprellt haben.
Judith Weber
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