Kommentar: Volltreffer
■ Warum die Streiks im Einzelhandel auch im Interesse der Kunden sind
Die Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) wollte mit ihren Streiks dem Karstadt-Konzern einen Schuß vor den Bug verpassen. Es wurde ein Volltreffer. Es gelang, ein Management zu überrumpeln, das nicht erwartet hatte, daß die Streikbeteiligung bei ihren MitarbeiterInnen so hoch ist. Insbesondere die ArbeitnehmerInnen bei Karstadt Mö haben sich bravourös eingesetzt.
Denn anders als in den meisten Branchen, wo der Kontrahent in der Regel der arbeitswillige Kollege im Betrieb ist, müssen im Einzelhandel VerkäuferInnen sich nicht nur mit Streikbrechern in den eigenen Reihen rumplagen.
Vor allem müssen sie jeden einkaufswilligen Kunden in Diskussionen aufs neue davon überzeugen, daß die Streikenden auch für die Interessen der KonsumentInnen eintreten. Denn die fordern häufig und auch völlig zu Recht, nicht nur freundlich, sondern auch fachlich qualifiziert bedient und beraten zu werden.
Das aber können sie kaum erwarten von dem Personal, das den Arbeitgebern vorschwebt: Mehr ungelernte und damit billigere Arbeitskräfte senken vielleicht die allerorten beschworenen Lohnnebenkosten; von nicht ausgebildeten VerkäuferInnen dürfen Kunden aber auch keine detaillierten Auskünfte über den Energieverbrauch von Kühlschränken erwarten.
Das erste und ein starkes Zeichen wurde gesetzt, um den Angriff der Einzelhändler auf Löhne und Qualifikationen abzuwehren. Weitere werden allerdings folgen müssen.
Kai von Appen
Bericht Seite 22
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