Kommentar: Vom Populismus zum Plebiszit
■ Roland Koch entdeckt die Basisdemokratie
Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird in Wahlen und Abstimmungen ausgeübt. Ein schöne Passage, die da im Grundgesetz steht. Leider hat sie bislang wenig Beachtung gefunden – außer vielleicht bei Fans der Basisdemokratie. Diese plebiszitären Sonderlinge der Republik haben nun einen wichtigen Fürsprecher gefunden: den hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch.
Kochs erster Anlauf, ein Thema zu einer öffentlichen Sache zu machen, war, um es freundlich zu sagen, populistisch. Er mobilisierte den Stammtisch gegen die doppelte Staatsangehörigkeit. Die Bestandteile der Kampagne aber, die das Unterschriftensammeln vor wenigen Monaten so verdammenswert machten, hat der volksnahe Politiker bei der „Rentenlüge“ der SPD korrigiert: Die Betroffenen hätten ein Recht, ihre Haltung darzulegen, sagt Koch jetzt moderat. Und: Das Instrument könne nicht jeden Tag eingesetzt werden. Genau besehen ist das eine Unterschriftenkampagne minus Populismus, also: ein Plebiszit.
Kein Wunder, daß die CDU-Präsiden ihren Youngster unter den Ministerpräsidenten sogleich zurückgepfiffen haben. Koch befindet sich auf dem Weg, den verantwortlichen Appell an den politischen Verstand von jedermann auch hierzulande zu einer Selbstverständlichkeit zu machen. Wer bei den Menschen im Land nicht nur die Haltung abfragt, sondern ihren Entscheid ernst nimmt; wer aus dem ungeordneten Run des Ressentiments auf die Unterschriftenlisten eine öffentliche Debatte mit einer ausreichenden Frist zur Meinungsbildung macht, der wird erleben, wie intelligent das Volk sein kann – wie ein Citoyen eben, ein politischer Bürger. Haben nicht wenige Tage gezeigt, daß die Wutwelle (Bild) gegen die Deckelung der Rente in Wahrheit ein halbwegs vernünftiges öffentliches Gespräch wurde? Was wäre erst, wenn alle sich, sagen wir, binnen eines Jahres, über den Generationenvertrag eine Meinung bilden und abstimmen könnten? Riesters Rentenpläne hätten beste Chancen. Die CDU möchte nun gerne den demokratischen Geist wieder in der Flasche bannen. Ausschließlich den Rentner will sie von Riesters Gemeinheiten erzählen – zu spät. Auch den Jungen ist das Thema mittlerweile so wichtig, daß sie am liebsten eine Volksabstimmung wünschten. Vielen Dank, Roland Koch. Christian Füller
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