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KommentarSchneller als der Stammtisch

■ Otto Schily drängt Flüchtlinge zum Gehen

Macht Otto Schily eine gute Ausländer- und Flüchtlingspolitik? Wer weiß. Man kann sich in drei Variationen darüber empören, daß der Innenminister den Druck auf die rund 200.000 Kosovo-Albaner in Deutschland erhöht. Erstens: Sehen wir nicht jeden Tag via TV, daß da unten auf dem Balkan alles andere als Frieden herrscht? Zweitens, etwas schriller: Erst Milliarden in einem Bombenkrieg verpulvern, dann aber kein Geld mehr für den wahren humanitären Einsatz haben. Drittens, ganz moralisch: Aus Hütchenspieler wurden Verfechter der Menschenrechte wurden Hütchenspieler.

So kann man die Sache sehen. Andererseits: Eine gute Flüchtlingspolitik ist immer auch eine restriktive. Nur wenn sichergestellt ist, daß aus der vorübergehenden Aufnahme von Bürgerkriegsflüchtlingen keine stille Einwanderung wird, ist die Bevölkerung im nächsten Krisenfall bereit, ihre Kommunen erneut für Verfolgte zu öffnen. So will es der Bürger. In Zeiten, in denen Finanzminister Hans Eichel täglich verkündet, alle müßten den Gürtel ein wenig enger schnallen, gilt das um so mehr.

Trotzdem: Etwas überraschend ist es schon, wenn Schily nun aufs Tempo drückt. Noch vor wenigen Wochen wußte auch er, daß es wenig Sinn macht, die Kosovo-Albaner vor dem Frühjahr 2.000 hinauszukomplimentieren. Die Rückführung der Flüchtlinge aus Makedonien, Montenegro und Albanien habe Vorrang, war man sich im Westen einig. Im Interesse der Stabilität in der Region. Und es ist nicht lange her, daß sich alle Welt über die Eile wunderte, mit der die Kosovaren in ihre Heimat zurückdrängten. 730.000 in nur zwei Monaten. Und das in einer Situation, in der noch ungeklärt ist, wo sich Minenfelder befinden, wie viele Häuser überhaupt noch bewohnt werden können.

Es wäre schade, sollte sich Schilys Ungeduld als kurzfristige innenpolitische Strategie erweisen. Als populistisches Einknicken gegenüber einer vermuteten Stimmung im Volk. Emotionalität anstelle von Rationalität, davon hatte Deutschland in der Flüchtlingspolitik in der Vergangenheit genug. Und wo die Bevölkerungsmehrheit ganz offensichtlich bereit ist, den Flüchtlingen noch ein Weilchen Schutz zu gewähren, sollte ein rot-grüner Innenminister nicht schneller sein als der schwarz-braune Stammtisch.

Eberhard Seidel

Bericht Seite 4

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