■ Kommentar: Leere Drohung Atomausstieg: Rot-Grün muss Entschädigungen riskieren
Da sitzt sie also nun zusammen, die Arbeitsgruppe der vier Bundesministerien, und brütet über den rechtlichen Möglichkeiten, der Atomkraft den Garaus zu machen. Trittins Ministerium legte mit einem Papier vor: Der Betrieb der AKWs ist juristisch auf 25 Jahre begrenzbar. Doch das Wirtschaftsministerium mag nicht so recht folgen: Selbst 40 Jahre alte Atommeiler hätten noch einen Wert und seien nicht entschädigungsfrei abzustellen, heißt es dort.
Da ist es wieder, dieses Wort: „entschädigungsfrei“. Seit Kanzler Gerhard Schröder es in den Koalitionsvertrag gedrückt hat, ist soviel von Entschädigung die Rede, dass man vergisst, worum es eigentlich geht. Das führt zu skurrilen Entscheidungen. So heißt Trittins Ministerium nun die Fertigstellung vom Endlager Schacht Konrad gut, weil andernfalls 1,4 Milliarden Mark Entschädigung drohen könnten. Dabei war man sich in der Koalition bislang einig, dass man dieses Lager gar nicht braucht.
Noch schwieriger wird die entschädigungsfreie Abwicklung bei der Wiederaufarbeitung, weil hier nicht nur Verträge der deutschen Konzerne mit den Anlagen in Frankreich und England, sondern auch diplomatische Notenwechsel der alten Regierungen zu beachten sind. Auch hier bindet man sich unnötig die Hände durch den Entschädigungsvorbehalt.
Will die Regierung eine wirksame Drohkulisse aufbauen, sollte sie ruhig die eine oder andere Milliarde Mark an Entschädigung riskieren – das sollte ihr ein vergrößerter Handlungsspielraum für den Ausstieg wert sein. Eine solche einmalige Aufwendung für den Ausstieg wäre der Öffentlichkeit vermittelbar. Andernfalls macht sich die Regierung zur leichten Beute der Stromkonzerne.
Selbst wenn man ein wenig Entschädigung riskiert, birgt ein Ausstiegsgesetz noch Ärger genug: Die Probleme beginnen schließlich schon bei der Frage, ob man rechtlich überhaupt eine Laufzeit für alle – durchaus unterschiedlich konzipierten – Atommeiler verordnen darf. Wäre es da nicht viel sinnvoller, die Lektion zu beherzigen, die auch die Umweltbewegung bereits gelernt hat? Statt umständlicher Gesetze hatte man seinerzeit die Ökosteuer als flexibles Instrument ersonnen. Warum nicht einfach ein paar Pfennig Steuer pro Kilowattstunde auf das Uran? Den Ausstieg regelte dann der Markt. Matthias Urbach
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen