Kommentar: Der falsche Weg
■ Warum Autos in der Fußgängerzone ein Glanzstück jeder Verkehrtpolitik sind
Der Wahn scheint unausrottbar. Die Vorstellung, persönliche Freiheit und in Sonderheit die Freiheit des Konsumenten – was immer das auch sein mag – sei abhängig von automobiler Selbstverwirklichung, ist das Glanzstück jeder Verkehrtpolitik. Und dieses zu polieren, lassen deren Vertreter weiterhin keine Gelegenheit aus.
Die Probleme der Großen Bergstraße resultieren nicht da-raus, dass sie mit dem Auto zu schlecht erreichbar sei. Der städtebauliche Grundfehler der Einkaufsmeile hinterm Altonaer Bahnhof ist die architektonische Unwirtlichkeit der sechziger Jahre. Solange solch betonierte Monster wie das aus gutem Grund weitgehend leerstehende „Frappant“ Menschen abschre-cken dürfen, ist die Bergstraße nicht reformierbar.
Jede erfolgversprechende städtebauliche Lösung muss damit beginnen, dieser Schneise aus Stein und Wind ein humanes Antlitz zu verpassen. Eine Asphaltpiste für Autos stünde dem diametral entgegen.
Der zweite Grund für die gesunkene Konsumbereitschaft im Viertel liegt in der mangelnden Kaufkraft. Die aber folgt aus dem überdurchschnittlich hohen Anteil an Arbeitslosen, Sozialhilfeempfängern und Geringverdienern im Quartier. Hier wären andere politische Instrumente erforderlich: Wie wärs mit einer intelligenten und dezentralen Wohnungs-, Sozial- und Arbeitsmarktpolitik?
Die Vorstellung aber, eine Einkaufszone in einem armen Stadtteil durch die Autos eines konjunkturunabhängigen Kaufpublikums aus wohlhabenderen Vierteln zu retten, ist politischer Wahnsinn. Sven-Michael Veit
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