Kommentar: Selbsthilfe
■ Warum es bei der Wahlrechtsdebatte nicht nur um BürgerInnennähe geht
BürgerInnennähe, klingt ganz hervorragend. Mehr Demokratie wagen. Sehr hübsch. Direkter Draht zu den WählerInnen. Ist doch wunderbar. Bei so vielen hehren Zielen könnte man fast vergessen, worum es bei der wieder einmal aufkommenden Wahlrechtsdebatte in Hamburg nicht zuletzt geht: Die Parteien versuchen, sich eine möglichst gute Ausgangsposition für künftige Bürgerschaftswahlen zu verschaffen.
Alle wollen mit einer Reform erst einmal sich selbst helfen. Wenn dabei mehr BürgerInnenbeteiligung abfällt, nimmt man es gern in Kauf. Die GAL würde als kleinere Partei Honig aus einem Zweitstimmensystem saugen: Die erste Stimme für die KandidatIn der Volkspartei, die zweite für den kleinen Partner – auf diese Weise hat die FDP sich im Bund auf Jahre Regierungsbeteiligung und Überleben gesichert. Wenn man zusätzlich in den grünen Stadtteilen noch Direktmandate holt, umso besser.
Die SPD hätte am liebsten Wahlkreise und nur eine Stimme für die Bürgerschaft. Bei dem sozialdemokratischen Beharrungsvermögen in der Stadt wäre damit eine kommode Mehrheit auf Jahre gesichert. Die CDU würde am liebsten alles so belassen, wie es ist. So sind ihre Chancen am besten, bei einem wohlwollenden CDU-Trend stärkste Fraktion zu werden, und so muss sie keine SPD- oder GAL-Persönlichkeiten in den Wahlkreisen fürchten.
„Keine politische Partei ist eine altruistische Vereinigung“, sagt der SPD-Abgeordnete Thomas Böwer. Der Mann hat natürlich recht. Peter Ahrens
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen