Kommentar: Dissonanz
■ Die Akademie der Künste muss an den Pariser Platz
Sieht man einmal von den staatsmännischen Einwürfen György Konrads ab, melden sich die Mitglieder der Akademie der Künste recht selten zu aktuellen Debatten in Berlin zu Wort.
Umso erfrischender ist es, wenn Peter Lilienthal, der ehemalige Leiter der Filmabteilung der Akademie der Künste, gegen den „Hochsicherheitstrakt“ Pariser Platz im Speziellen und die „restaurative“ Formensprache der Berliner Architektur im Allgemeinen zu Felde zieht. Solche Einwände sind selten geworden in einer Stadt, in der sich auch die ehemaligen Kritiker aus einer Art Flucht nach vorne nicht selten zu Apologeten des „New Berlin“ gemausert haben.
Mit dem Vorschlag, die Akademie der Künste solle nicht wieder am Pariser Platz aufgebaut werden, verabschiedet sich Lilienthal freilich sogleich als Kritiker. Schließlich wäre es geradezu fatalistisch, wenn der Einwand gegen einen „Hochsicheitstrakt“ in einer Position mündete, die „feinen Adressen“ der Hauptstadt den Bossen und ihren Genossen zu überlassen. Gerade der Streit um die Architektur der Akademie hat ja gezeigt, wie sehr eine Dissonanz, eine Knitterstelle im ansonsten glattgebügelten Raum der Macht die Protagonisten der gesäuberten Stadt in Rage bringen kann. Eine gute Stube ohne eine „böse“ Akademie wäre wohl so steril wie die Friedrichstraße ohne das Haus der Demokratie. Gerade der offene Charakter des geplanten Behnisch-Baus stünde in einem provokanten Gegensatz zum „Closed Shop“ des Pariser Platzes. Das gilt im übrigen nicht nur für die Sicherheitsvorkehrungen der US-Botschaft, sondern auch für einen guten Teil der restlichen Bebauung, die den Platz am Brandenburger Tor fast schon zur Schalterhalle großer Bankkonzerne degradieren.
Umso mehr ist es deshalb zu begrüßen, wenn sich nun auch die Akademie selbst in die Debatte einschaltet. Bleibt zu hoffen, dass diese nicht nur als Zweikampf zwischen Akademie und US-Botschaft verstanden wird, sondern auch als Auseinandersetzung darum, ob und wen Orte der Stadt ausgrenzen sollen. Das zumindest dürfte dann auch wieder im Sinne von Peter Lilienthal sein.
Uwe Rada
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