piwik no script img

■ KommentarDeutschland gerettet!  Kanzler Schröder wird vom Manager zum Macher

Natürlich gibt es Bedenken. Des Kanzlers Flug nach Frankfurt und seine Rettungsmission für Philipp Holzmann haben Einwände hervorgerufen. Hinter manchen steckt die Freude an der Polemik, wie etwa hinter der Verdächtigung, der Kanzler verhelfe sich mittels 250 Millionen Mark an Steuergeldern zu jenen Prozentpunkten, die ihm in den Meinungsumfragen fehlen. Dann gibt es Einwände, die gravitätischer daherkommen und von der Sorge getragen sind, solche Hasardeur-Ritte durch die wirtschaftspolitische Landschaft richteten mehr Flurschaden an, als dass sie nützen können. Das Problem aller Skeptiker: Gegen die Macht der Tat verblassen ihre Bedenken zur Mäkelei. Die Schlagzeilen nach dem Tag von Frankfurt gehören dem Kanzler – und trotzdem tut man gut daran, der Suggestionskraft der Tat hier zu misstrauen.

Helden waren sie nie, die Kanzler der Nachkriegsrepublik, da mochten Fotografen wie Konrad R. Müller und Jupp Darchinger sie noch so gerne in schicksalsschwangerem Schwarzweiß porträtieren. Das Wort vom „Regierungschef“ aus dem „Tagesschau“-Jargon fasst die deutsche Kanzler-Aura treffender zusammen: Der Mann ist halb Manager, halb Bürokrat. Bisher war das Sinnbild einsamer Kanzler-Momente geprägt von Helmut Schmidt während der Flugzeugentführung nach Mogadischu. Dass Gerhard Schröder in den nächtlichen Wind vor der Holzmann-Zentrale rettende Worte spricht, war zumindest ein guter Versuch, in die Galerie aufgenommen zu werden. Da passt es ins Bild, wenn er sich am Tag nach Frankfurt im Bundestag entschuldigen ließ und, wie es hieß, still an seinem Schreibtisch im Kanzleramt arbeitete.

Nicht dass solche Gesten aus Kanzlern Helden machten, aber sie machen aus Managern Krisenmanager. Für die politische Kultur ist damit nichts gewonnen. In einer Zeit, in der Politik immer weniger darstellbar wird, wiegen sie Journalisten wie Bürger in falsche Zuversicht. Nur selten gestalten sich Lösungen so einfach wie in Frankfurt: Ankunft des Bundeskanzlers um 18.30 Uhr, Deutschland gerettet um 21.35 Uhr.

Wenn's das nächste Mal nicht so schnell geht, sei's bei ökologischen oder ökonomischen Missgeschicken, wird die Verdrossenheit über die Politik und ihre Akteure noch größer sein als bisher.

Patrik Schwarz

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen