Kommentar: Ein sündiges Papier ■ Die evangelische Kirche äußert sich zur Homoehe
Man mag die Stellungnahme der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) zur Homoehe als Fortschritt lesen. Ein solcher ist zweifellos, dass existierende homosexuelle Partnerschaften zur Kenntnis genommen werden. Noch vor zehn Jahren waren der evangelischen Kirche Schwule und Lesben nur Objekte ihrer Seelsorge- und Bekehrungsbemühungen. Heute immerhin räumt die gleiche Institution ein, dass es rechtlichen Bedarf gibt, homosexuellen Paaren Schutz zu geben.
Für die Kirche ist diese Stellungnahme ein großer kleiner Schritt – selbst wenn von ihr weiterhin Homosexuelle als nicht eigentlich Liebende (dis)qualifiziert werden. Sie muss und darf nur öffentlich sagen, was ihr Spektrum bündelt. Dabei sind Rücksichten zu nehmen auf Christen, die Homosexualität für gottlos halten, dabei müssen aber auch Christen Kompromisse schließen, die weder in biblischer noch in persönlicher oder grundgesetzlicher Hinsicht Berührungsängste mit Schwulen und Lesben haben.
Verheerend, ja sündig ist dieses Papier freilich doch, und zwar dann, wenn es für politische Zwecke umstandslos funktionalisiert wird. Wie von Justizministerin Herta Däubler-Gmelin. Die interpretiert die EKD für ihre Zwecke und behauptet, deren Papier enthalte keine Diskriminierung von Homosexuellen. Braucht die schwäbische Ministerin Nachhilfe in Sprachkunde? Tatsächlich eint hetero- wie homosexuelle Beziehungen mehr, als sie trennt. Beide basieren (hoffentlich) auf Liebe. Der Unterschied, dass eine Mann-Frau-Kombination Kinder hervorbringen kann, ist in diesem Zusammenhang geringer zu erachten. Ob ein Kind zwei Väter oder zwei Mütter oder aber einen Vater und eine Mutter hat, ist nicht von der Frage zu lösen, dass und wie es geliebt wird. Und das ist durch heterosexuelle Paare nicht automatisch gewährleistet, wie jede und jeder wissen kann.
Die Ministerin also ideologisiert und hält sich von den weltlichen Fakten fern. Und die sind: Schwule und lesbische Paare (mit oder ohne Kinder) sind rechtlos, weil es sie vor dem Gesetz nicht gibt. Sie bekommen weder symbolisch noch juristisch eine Gratifikation für ihre Liebe und für ihren Willen, in guten wie in schlechten Zeiten miteinander zu leben. Solange nicht akzeptiert wird, dass Liebe an kein Geschlecht gebunden sein kann, bleibt Diskriminierung. Jan Feddersen
Bericht Seite 7
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