Kommentar: Neue Freunde
■ Warum Antifaschismus im Sommerloch plötzlich gesellschaftlich chic wird
Über neue Freunde sollte mensch sich einfach freuen. Ganz plötzlich offenbaren sie sich, sie brechen ihr jahrelanges Schweigen, sie bekennen in aller Öffentlichkeit, dass sie schon immer dafür waren, dass mensch dagegen sein müsse. Gegen Nazis. Wie schön.
Nie wieder Faschismus – eine Forderung erfährt eine kaum noch erwartete gesellschaftliche Akzeptanz. Es wird, so scheint es, chic, gegen Neonazis und Skinheads zu sein. Auch und gerade bei denen, die seit Jahr und Tag Antifa-Gruppen als Links-extremisten diffamierten, selbst bei solchen, die vor einem Jahr noch die Beteiligung des Bundes der Antifaschisten am Hamburger Rahmenprogramm zur Wehrmachtsausstellung ablehnten.
Zu ihrer Bewusstseinserweiterung hat nicht zuletzt beigetragen, dass Neonazis in Hamburg und Umgebung einen entscheidenden Fehler gemacht haben: Die Morddrohung gegen einen Elmshorner IG-Metall-Funktionär rüttelte die Gewerkschaften im Norden wach und damit auch Sozialdemokraten.
Solange Nazis sich auf Körperverletzung oder auch Totschlag an Asylbewerbern beschränkten, führte das lediglich zu kurzfristig geäußerter Bestürzung. Aber neuerdings gibt es ja auch volkswirtschaftlich erwünschte AusländerInnen, das ändert auch hier die Sichtweise.
Aber an neuen Freunden sollte nicht so kleinkariert herumgekrittelt werden. Mensch sollte sich einfach über sie freuen. Umso mehr, wenn ihr antifaschistisches Coming-Out sich nicht als Modeerscheinung im Sommerloch entpuppen sollte.
Sven-Michael Veit
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