Kommentar: Moderat abgerückt
■ Warum Karin Roth mit ihrer Kritik am Bundeskanzler das richtige Zeichen setzt
Die Kampagne der Bundesregierung und zahlreicher Medien gegen Menschen ohne Arbeit ist empörend. Der Versuch des Bundeskanzlers, Erwerbslose als arbeitsunwillig darzustellen, ist nur Ausdruck der Hilflosigkeit, die Arbeitslosigkeit angesichts einer ins Stocken geratenen wirtschaftlichen Konjunktur nach unten zu drücken. Da drückt man eben lieber die Arbeitslosen. Dass Sozialsenatorin Karin Roth davon abrückt, ist gut.
Dabei weiß sie natürlich, dass auch in Hamburg seit Jahren der Druck auf Arbeitslose, einen ihnen angebotenen Job tatsächlich zu nehmen, wächst. Dass auch in Hamburg Menschen aus der Sozialhilfe gedrängt werden, um sie zur Jobannahme zu zwingen. Das alles geschieht mit ausdrücklicher Billigung des rot-grünen Senats, denn es ist Teil seiner Sozialpolitik. Nicht umsonst bezeichnet Roth das Hamburger Modell als „Prinzip Fordern und Fördern“.
Trotzdem ehrt es die Senatorin, dass sie – wenn auch in moderatem Ton – ihren Parteivorsitzenden und Bundeskanzler öffentlich für seine diffamierenden Äußerungen rüffelt und nicht die bequeme Variante wählt, die ihre Kieler Kollegin Heide Moser vorzieht. Stattdessen verkündet Roth: Man kann über geeignete Arbeitsbeschaffungs- und Qualifizierungsmaßnahmen Menschen wieder in Lohn und Brot bringen, auch ohne die Peitsche auszupacken. Das ist die eigentliche Erkenntnis des Arbeitsmarktberichtes und die richtige Antwort auf die Debatte der vergangenen Tage.
Und daher gibt es hier auch mal Lob für Karin Roth.
Peter Ahrens
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